Die Macht der Werbung – oder „was der Bauer nicht kennt …“

Bei einer Fahrt über die Landstraßen begegnen einem am Wegrand häufig Werbetafeln von Gasthäusern und Biergärten und laden zur Einkehr ein. Die meisten dieser Tafeln sind mit dem globalisierten Namen einer der immer weniger und dafür immer größer werdenden Industriebierbrauereien versehen und werden somit von mir ignoriert. Genau deshalb sprang mir wohl die von Hand gemalte Tafel des Biergartens „beim Wangerbaur“ so direkt ins Auge, als ich im Sommer 2008 auf einer Wochenendradtour von München ins Allgäu und zurück daran vorbei fuhr. Darauf stand überhaupt keine Biermarke geschrieben. Lediglich das Wort „BIERGARTEN“ und der Name der Wirtschaft: „beim Wangerbaur“. Und durchgestrichen, aber trotzdem noch lesbar war das Wort „BAUERNHOFCAFÉ“. Ob es dort überhaupt Bier gab? Wenn die Wirtschaft schon kein Café mehr war, so sollte sie ja immerhin noch ein Biergarten sein, so stand es jedenfalls auf der Tafel. Also hieß es anhalten, einkehren und nachforschen.

Natürlich gab es in diesem Biergarten Bier. Am Eingang zum Garten war ein Schaukasten mit Getränkekarte. Auf dieser stand:

Auszug aus der Getränkekarte

Helles        0,5l      2,60
Dunkles     0,5l      3,00
Weißbier    0,5l      2,80

Bier gab es also, aber welches? Die Sache wurde immer spannender. Inzwischen hatte ich schon längst beschlossen, hier eine kurze Rast einzulegen: Der Garten sah wunderschön urig und gemütlich aus. Und es gab viel Schatten, was auf einer Radtour natürlich sehr wichtig ist. Das war alles so herrlich harmonisch angelegt und hatte eine dermaßen einladende Ausstrahlung, dass es mir im Grunde eigentlich egal war, welches Bier dort ausgeschenkt wurde. Hauptsache, ich konnte mich in dieser Idylle ein wenig ausruhen und stärken. Ich stellte also mein Rad am Eingang ab und ließ mich auf einer der Bierbänke zwischen den Bäumen nieder.

Bald schon kam einer der beiden aufmerksamen jungen Ober zu mir, und ich konnte ihm endlich DIE Frage stellen: „Was für ein Bier habt ihr denn?“ Die Antwort: „Dachsbräu aus Weilheim“. Oh! Was für eine Überraschung, dachte ich mir. Dieses Bier war nämlich schon seit einigen Jahren auf meiner Warteliste. Es ist das Stammbier einer ehemaligen Arbeitskollegin, die aus Weilheim war. Es ist mir bis heute noch nicht gelungen, ein mal in Weilheim das Bräustüberl zu besuchen. Das hat unglücklicherweise an Wochenenden ab Samstag Nachmittag geschlossen. Und nun fiel mir das Dachsbräu so unverhofft in den Schoß. Voll Freude bestellte ich mir gleich eine Halbe Helles und eine kleine Brotzeit. Danach war dann noch Zeit für ein Weißbier.

Während ich so da saß und vor mich hin träumte, setzte sich ein etwas älteres, für einen Biergarten zu chic gekleidetes Paar an einen Nachbartisch. Der aufmerksame Ober kam zu den beiden, und der Mann stellte ihm die gleiche Frage nach den erhältlichen Bieren. Ich hörte folgendes mit:

Ober: “ Hell, Dunkel, Weißbier…“

Gast: „Dunkles?“

Ober: „Naturtrüb. Es ist von Natur aus dunkler.“

Gast: „Ist es aus Kaltenberg?“

Das Kaltenberger Bier ist vor allem durch viele großflächige Werbeplakate bekannt, insbesondere das „König Ludwig Dunkel“. Der Wangerbaur liegt dann auch nicht weit weg von der Brauerei Kaltenberg in der Gegend nördlich des Ammersees.

Das Bestellgespräch ging weiter:

Ober: „Nein, wir haben Dachsbräu. Das kommt aus Weilheim.“

Gast: „Das kenne ich gar nicht.“

Ich freute mich innerlich schon, gleich miterleben zu können, wie dieser Mann ein für ihn neues Bier kennenlernen und sich vielleicht auch mit seiner Begleiterin über das neue Geschmackserlebnis unterhalten wird. Und was kam?

Gast: „Ich nehme eine Weinschorle. Aber bitte nicht im Bierglas. Wir wollen ja keinen Stilbruch begehen.“

Schließlich saß er ja auch in einem Biergarten, oder? 🙄

Wie das Dachsbräu schmeckte, und wo dieses Idyll liegt, habe ich schon im letzten August in einem eigenen Artikel beschrieben.

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

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