Pils, Helles, Export – endlich geklärt?

Am 11. September war heuer wieder der Ayinger Zwicklbiertag. Wir ließen es uns als Mitglieder des Ayinger Freundeskreises natürlich wieder besonders gut gehen – ist das Bier für uns ja nicht nur ein erstklassig gutes Bier, sondern obendrein auch noch ein Freibier 😛 . Das Zwickel war wie immer wieder ein junges Jahrhundertbier, das später nach der Filtrierung und Abfüllung als „helles Exportbier“ vertrieben wird. Doch diese Details sind uns an einem Tag wie diesem eigentlich egal. Hauptsache es schmeckt, und das tat es!

Nach Schankschluss um 13:00 Uhr, als wir schon zur S-Bahn aufbrechen wollten, lief uns auf dem Weg zum Ausgang aber der Ayinger Brauer über den Weg, der an den vorhergehenden Zwickltagen immer im Keller am Ausschank stand, dieses mal aber während des Events mit einer Brauereiführung beschäftigt schien. Weil er am Ausschank immer viel über die Historie von Bier zu berichten wusste, schoss es mir blitzartig durch den Kopf, dass man doch diese Gelegenheit jetzt dazu nützen sollte, den wissenden Mann schnell anzuhalten, um ihm die Frage aller Fragen eines Bierliebhabers zu stellen:

Was ist denn nun der Unterschied zwischen Pils und Hellem? Was macht das Pils zum Pils? Und was hat das Export mit dem Ganzen zu tun?

Eigentlich war der Bierexperte schon fleißig an den Aufräumarbeiten nach dem Fest beteiligt, erkannte aber wohl die Ernsthaftigkeit unseres Anliegens und nahm sich für uns Zeit. Wenn auch möglicherweise leicht gestresst, denn er sagte seinen Kolleginnen und Kollegen von der Ayinger Brauerei, sie müssen sich kurz gedulden, er müsse das hier schnell erledigen. Das tat er dann auch – in entsprechender Kürze und Geschwindigkeit, aber doch recht umfassend und sehr zufriedenstellend. Wir bekamen einen Blitzexkurs durch die Geschichte der Herstellung von Bier und auch eine Antwort auf unsere Frage.

Kurzantwort

Eigentlich hätte er in fünf Sekunden alles gesagt gehabt mit der Antwort

Das Wasser macht’s! So war das früher.

„Früher“, sagte er. Und daher holte er dann doch ein bisschen weiter aus und es kam ein …

… historischer Schnelldurchgang

Historisch, so erläuterte er, gab es vier Biertypen:

  • Münchner Bier. Das war dunkel. Die Ursache: Im Raum München ist das Wasser carbonathaltig, d.h. kalkhaltig. Das ist besonders gut für dunkle Biere.
  • Pilsner Urquell. Das Bier, das 1842 von einem bayerischen Brauer aus Vilshofen erfunden wurde. Pilsner war der erste große Durchbruch des untergärigen Bieres. Die Wasserbeschaffenheit in Pilsen, die dieses Bier ermöglichte: chloridhaltig, weich. Das besondere am Pilsner war, dass es ein helles Bier war. Das war damals neu. Zudem war es besonders stark gehopft.
  • Nach Pilsner wurde angeblich Hamburger Bier bekannt. Da staunten wir alle, das wussten wir noch nicht. Aber die Pilsbiere aus dem hohen Norden haben in Deutschland ja wirklich einen gewissen Ruf, auf dem auch die Fernsehwerbung immer wieder aufbaut.
  • Und zum Schluss nannte er noch das Dortmunder Bier. Wassermäßig, und auch mit der Farbe, liegt das Dortmunder Bier zwischen den oben aufgeführten. Auch das Wiener Bier erwähnte er. Und da fiel mir doch gleich das Wiener Malz ein, das ja wirklich eine so schön mittel-goldbraune Farbe hat.

Export und Helles – noch mehr Historisches

Weil die Zeit für den Referenten, und auch für die Zuhörer schon etwas drängte, kamen wir nun ganz schnell zum Exportbier und dem Hellen. Hier geht es weniger ums Wasser als um die Haltbarkeit des Bieres. Export ist stärker, hat also mehr Alkohol. Das macht es haltbarer, eben für den Export geeignet. Wieder „früher“ durfte Bier nur von Michaeli bis Georgi gebraut werden – aus Gründen der Haltbarkeit und damit der Bekömmlichkeit und letztendlich der Gesundheit der Bürger. In Kalenderdaten ausgedrückt ist das vom 30. September bis zum 23. April. Die Schwierigkeiten mit der Haltbarkeit machten sich auch im Preis bemerkbar. Winters kostete das Bier 1 Pfennig pro Einheit, im Sommer 2 Pfennig.

An dieser Stelle musste jetzt natürlich auch das Märzenbier noch erwähnt werden: Es sollte bis in den Sommer halten und wurde daher im März, am Ende der Brauperiode, stärker eingebraut.

Das Helle dagegen hat weniger Alkohol als das Export, ist meist auch weniger gehopft und kann schon auch mal dunkler sein. Helles war/ist ein typisches Trinkbier.

Pflichtwissen: 1876

Wenn es um Bier und seine Haltbarkeit geht, muss diese Zahl natürlich immer genannt werden. Im Jahr mit dieser Jahreszahl hat der Herr Linde nämlich seine Kältemaschine erfunden. Ab jetzt war die Haltbarkeit von Bier kein Thema mehr. Es konnte jahraus-jahrein gebraut werden. Natürlich nannte uns unser Referent auch den Standort der ersten, bzw. ältesten noch funktionstüchtigen Kältemaschine der Welt: die steht bei der Paulaner Brauerei am Auer Mühlbach in München unterhalb des Nockherberges.

Zusammenfassung

Nach diesem Blitzexkurs durch das Münchner Bierreich in gefühlten drei Minuten hat er noch mal zusammengefasst. Gar nicht so leicht. Ich gestehe auch, dass ich große Schwierigkeiten hatte, meine Aufzeichnungen in meinem Biernotiztagebuch zu entziffern. Hier das, was übrig blieb, übrig bleiben sollte:

  • Das chloridhaltige alkalische weiche Wasser aus Pilsen macht das Pils zum Pils.
  • Es muss hell sein, also mit hellem Malz gebraut werden. Das war die große Besonderheit bei der Erfindung des „Pilsner Urquell“.
  • Es muss bitter sein. Also ist viel Hopfen drin. (Der Brauer nannte in seinem Vortrag 350 Bittergrade, was auch immer das bedeutet.)
  • Es ist ein untergäriges Bier, das bei relativ niedriger Temperatur langsam gärt und reift.

Anmerkung vom Blogger

Heute spielt die Wasserqualität natürlich nach wie vor eine Hauptrolle bei der Bierherstellung. Allerdings haben alle größeren Brauereien eine Anlage zur Wasseraufbereitung, mit der sie die regionale Abhängigkeit neutralisieren. Ob weiches, hartes, alkalisches, saures oder neutrales Wasser – das lässt sich heute je nach Bedarf einstellen, und so kann heute jede Brauerei im Prinzip jedes Bier herstellen, was die „Großen“ auch schamlos tun.

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

5 Kommentare

  1. Wahrscheinlich eher 35 …

  2. Ralf, daß du das alles so behalten hast, toll! Und wie du’s schreibst, gibt’s ganz genau die Stimmung dieser „gefühlten 3 Minuten“ wieder – danke für diesen wunderbaren Artikel und das nochmal Nacherleben beim Lesen!

  3. Peter wahrendorff

    Ralf,
    deine Erklärungen im Bericht sind hervorragend, nur kann ich die vielen Hintergründe kaum behalten, aber das mit dem Wasser war sehr interessant und bleibt hängen.
    Peter

  4. „Bittergrade“ bezieht sich auf die International Bitterness Unit (IBU): http://de.wikipedia.org/wiki/International_Bitterness_Unit

    Und wahrscheinlich meinte der Brauer, wie Lars schon richtig feststellte, eher 35 als 350 IBU. (350 IBU wäre absoluter Overkill und ist sehr schwer zu realisieren. Am ehesten würde man das noch in einigen amerikanischen Extrembieren finden, jedoch definitiv nicht bei Standard-Pilsner.)

    35 IBU higegen ist die unterste Grenze für ein „Böhmisches Pils“. Deutsche Pilsner bewegen sich meistens zwischen 25-45 IBU.

  5. „Böhmisches Pils“ ist eine (eingedeutsche) amerikanische Fantasiebezechnung. Lass das doch mal. Die Tschechen selbst nennen ihr Bier knapp světlý ležák (dt. „Helles Lagerbier“). Pilsner ist dort ein Bier aus Pilsen.

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