Hausbrauerei Altstadthof Nürnberg – Maibockanstich 2012

In den beiden vorangegangenen Jahren hatte ich den Maibock der Hausbrauerei Altstadthof immer erst probiert, als er schon im Bräustüberl im Regelausschank war. Das tat der Qualität im Erleben dieses Ausnahmebieres natürlich keinen Abbruch, wie man meinen Blogbeiträgen dazu sicher anmerken konnte. In diesem Jahr aber wollte ich dann endlich auch mal bei der Premiere, beim Anstich, mit dabei sein, insbesondere da mich Brauereichef Engel heuer sogar persönlich dazu eingeladen hatte. Er weiß ja, dass ich von den Altstadthofbieren bisweilen zu höchster Verzückung angeregt werde. Vor diesem Hintergrund war ich ganz schön aufgeregt, als ich den Burgberg hinauf ging.

Im Brauerei-Innenhof angekommen stimmte ich mich dann erst mal wieder wie gewohnt mit einem Altstadthof Hell nebst für einen Münchner in Nürnberg erstaunlich guten Weißwürsten auf den Maibockanstich ein. Wird der Bock auch wieder die Extraklasse seiner beiden Vorgänger haben? Diese waren ja so außergewöhnlich, dass ihr Geschmack sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt hat: Ein ausdrucksstarkes Malzprodukt der 2010er, eine grandiose Hopfensinfonie der 2011er. Kann man das noch toppen? – Ja, das kann man! Aber nicht durch einfaches „Eins drauf Setzen“, sondern indem man es ganz anders macht und dabei trotzdem seiner Linie treu bleibt.

Biererlebnis

Das beginnt mit der Einführungsrede von Reinhard Engel. Natürlich nennt er dabei die Eckpunkte, die zu jedem Bier gehören: Stammwürze und Alkoholgehalt, aber auch, das ist man in Deutschland noch nicht so sehr gewohnt, die Hopfengabe. 16,5% Stammwürze sind es, und daraus 6,2 bis 6,3% Alkohol. Ganz klar ein Bockbier. Bei den Hopfendaten aber werde ich schon bei der Mengenangabe hellhörig: Auf einen Hektoliter wurden da insgesamt 300g gegeben, sagt Herr Engel. Das allein ist schon sensationell viel. Noch aufregender wird es, als Herr Engel die Sorten nennt: Hersbrucker Hopfen sind es, wie man es vom Altstadthof gewohnt ist, und zwar die Sorten Tradtion und Spät. So weit so gut. Doch jetzt kommt es: Der Maibock wurde in diesem Jahr auch kalt gehopft,  mit dem Aromahopfen Saphir! Der Saphir ist in den letzten beiden Jahren zu meinem Lieblingshopfen geworden. Gekonnt gebraut, mit dem passenden Malz gepaart, kann der Saphir für tolle blumig, fruchtige und citrusartige Aromen sorgen. Die Braumeister Reinhard Engel und Martin Kemmer haben die Hopfen, also auch den Saphir, als Rohhopfen eingesetzt, in Bio-Qualität.

All diese Information weckt hohe Erwartungen in mir. In meinem Kopf braut sich sogar schon eine Vorstellung vom möglichen Geschmack des Maibocks zusammen. Ich weiß aber auch sofort, dass diese niemals stimmen kann. Bier muss man riechen und trinken, man muss es erleben. Ich bin froh, dass Herr Engel auch umgehend zur Tat schreitet und das Fass ansticht. Das macht er sehr fotogen, mit ein paar Spritzern, die einfach mit dazu gehören, auch und gerade beim Meister. Und so habe ich auch bald das erste Glas vom Maibock 2012 vor mir stehen.

Weil mir die 300g Hopfengabe noch im Ohr klingen, halte ich es natürlich gleich an die Nase. Doch was ist das? So wie das Bier aus dem Anstichfass kommt, riecht es zunächst erst mal eher kräftig malzig. Mehr oder weniger aus Gewohnheit lege ich jetzt aber meinen hölzernen Bierdeckel auf das Glas, und als ich diesen wieder anhebe, da macht sich das Malz nun gar nicht mehr so wichtig. Stattdessen scheint in der kurzen Zeit bis zum Wiederanheben des Deckels der Saphir-Hopfen darunter schier explodiert zu sein. Herrlich frisch strömt mir sein citrusartiges Aroma entgegen. Vielleicht hat auch die Mai-Sonne, die in den Innenhof schien, zu diesem Effekt beigetragen. Ich bin mittlerweile richtig glücklich darüber, dass ich zum Anstich gekommen bin. Obwohl ich noch gar nichts vom Maibock getrunken habe, habe ich von Sonnenschein über die gepflegte Jazz-Musik bis hin zum Maibock-Saphir-Duft schon wieder ein völlig neues Biererlebnis erfahren.

Jetzt wage ich den ersten Schluck. Der ist im Antrunk vorne voll malzig, rund und weich. Ja, ich bin im Altstadthof. Eindeutig! Auf das einsetzende Prickeln kann ich noch gar nicht so sehr achten, weil ich gleich beim Abgang davon überrascht werde, wie Malz und Hopfen sich diesen teilen. Erst meine ich, es wird ein malziger Abgang, nur damit kurze Zeit darauf, während ich mich noch am vollen Geschmack des Malzes erfreue, mit einer wie geplant wirkenden Verzögerung der Hopfen zuschlägt. Deutlich kräftig, dabei nicht erschlagend, und doch nachhaltig.

So viele Eindrücke stecken dieses Jahr im Maibock, dass ich sie mit dem ersten Glas gar nicht alle erfassen kann. Die Farbe zum Beispiel nehme ich erst beim zweiten Glas so richtig wahr. „Bernstein“ sagen spontan meine Tischgenossen. Ich selbst hätte „Goldmessing“ gesagt, welches seinen rötlichen Farbton von Kupfer bekommt. In diesem Moment steht zufällig auch Braumeister Engel an unserm Tisch und sagt uns, dass heuer Caramelmalz mit dazugegeben wurde. Eine Dame am Tisch stellt fest, dass der Maibock 2011 tatsächlich heller war. Schön! 🙂 Ich bin also nicht allein so verrückt, mir diese Maiböcke vom Altstadthof so einzuprägen. Oder nein, es sind eigentlich die Böcke, die so verrückt einmalig sind, dass man sie sich automatisch einprägt. Ich realisiere so langsam, dass auch 2012 wieder ein unvermeidbar einprägsamer einzigartiger Maibock entstanden ist. Und das Caramelmalz trägt, wie jeder andere der Maibock-Rohstoffe natürlich auch, seinen Teil dazu bei. Der Beitrag des Caramelmalzes ist für mich neben der herrlichen Farbe ein angenehm malziger, karamell- bis honigartiger Ton im Antrunk.

Zaubervorstellung

Jetzt bin ich langsam auch so weit, dass ich richtig kräftige Maibock-Schlucke nehmen kann. Und schon wieder erweitert sich mein Biererlebnis. Denn mit dem größeren Schluck wird auch das Prickeln im Mund viel intensiver. Cremig ist es, dabei trotzdem leicht und kräftig wirbelnd. Und wie das Prickeln abklingt, schlägt sich daraus der Hopfen nieder, in der Hauptwahrnehmung der aromatische Saphir, während Tradition und Spät es wohl sind, die einen mit ihrer Hopfenwürzigkeit daran erinnern, einen Schluck echtes Bier genommen zu haben. Mit den Sinneseindrücken aus diesem großen Schluck beginne ich zu Träumen. Ich fühle mich wie ein Gast in einer Zaubervorstellung. Der Zauberer präsentiert dem Publikum seine Assistentin. Dann umhüllt und umwirkbelt er sie mit dichtem Nebel. Und wie der Nebel sich schließlich wieder legt, sitzt nur noch eine weiße Taube auf der Bühne, ohne dass man irgend etwas aus dem Nebel weglaufen sehen konnte. So zauberhaft unmerkbar und unbewusst verwandelt sich das Malz vom Beginn eines Maibockschluckes in den Hopfen am Ende.

Das Schöne an dieser Zaubervorstellung ist, dass man ihre Dauer selbst bestimmen kann. Langsam trinken, das Bier lange im Mund lassen, es fast schon kauen, und ganz langsam schlucken. Oder zwischendurch auch mal beherzt den Mund so richtig voll nehmen und vorne und hinten gleichzeitig erleben. So vielfältig wie die Sinneseindrücke des Maibocks sind, so vielfältig sind die Arten, auf die man ihn trinken kann. Eigentlich ist nur eines dabei wichtig, so wie bei einem gelungenen Zauberkunststück: Man muss es einfach nur unvoreingenommen auf sich wirken lassen, ganz ohne Zwang, und sich davon verzaubern lassen.

Ein Bier, das man nicht vergisst

Schon die Biere der beiden Vorjahre kann ich nicht mehr vergessen. Jedes mal hatte das Bier in mir eine derartige Vielfalt von Empfindungen hervorgerufen, in einer solchen Einzigartigkeit, dass es ganz von selbst in meiner Erinnerung haften geblieben ist. Das ist eindeutig auch mit dem Maibock-Jahrgang 2012 der Fall. Dieser Bock ist wieder ein echtes Ausnahmebier geworden. Was mir von diesem Bier noch lange in Erinnerung bleiben wird, ist das karamell- und honigartige Malz. Weiter das deutliche und doch nicht allein dominierende Saphiraroma. Und vor allem schließlich das Erlebnis, wie das Bier auf der malzigen Seite beginnt und, ohne dass ich merke, wie ich dort hin komme, auf der hopfigen Seite endet.

Mit der Kalthopfung, dem sogenannten „Hopfenstopfen“, geht die Altstadthof-Brauerei neue Wege. Die Brauer Engel und Kemmer haben damit einen mutigen großen Schritt nach vorne getan, hin zur Erschließung neuer Geschmacks- und Aromadimensionen. Gleichzeitig ist das Bier in seiner Malz-Zusammensetzung und in der traditionellen Hopfung mit Hersbrucker Traditon und Spät auch ein Bier mit altgewohnten Altstadthof-Qualitäten geblieben.

Maibock 2012 – ein neues, modernes und auch ein traditionelles Bier – alles in Einem.

Einfach zauberhaft, der Maibock 2012! 😀

Alle Bilder vom Fest:

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

2 Kommentare

  1. Hallo Ralf,
    Auch ich bin von dem diesjährigen Maibock völlig entzückt, habe ich mir doch letzten Samstag zwei Fläschchen mit dem Motorrad nach Hause geholt und dann in aller Ruhe zu mir genommen. Dieser Maibock läßt absolut keine Zweifel zu: Es ist das bis heute beste Bier das ich in meinem Leben geniesen durfte! Welch ein Glücksgefühl! Du beschreibst es sehr treffend.
    Kann denn nicht immer Maibockzeit sein?
    Prost!

  2. Ui ui,
    da bin ich beruflich bald in der Nähe. Da werde ich wohl ein Abstecher machen müssen :o)

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