Die neue Giesinger Bräu – Erste Erfahrungen

Nachdem die neue Giesinger Brauerei nun schon fast einen Monat lang geöffnet ist, musste ich jetzt endlich die neue Braustätte und deren Bräustüberl an der Martin-Luther-Str. 2 in München aufsuchen. Wie wird die Atmosphäre im Bräustüberl wohl sein? Welche Biere wird es geben? Werde ich auch öfter dorthin gehen können? Nicht lange fragen, dachte ich mir. Einfach hin und ausprobieren!

Der erste Eindruck

Es war zwar schon Nacht, als ich ankam, etwa nach 20 Uhr, aber gleich beim Betreten der Brauerei, oder des Stüberls – es gibt nur einen Eingang für beides – stieg mir schon der Duft von frisch gebrauter Würze in die Nase. Seltsam, denke ich mir. Linker Hand ist ein großer Durchgang zum Sudhaus, das jedoch nicht beleuchtet ist. Wohl unter dem Eindruck der beiden Gotteshäuser, zwischen denen die Giesinger Brauerei steht, kommt mir der Raum vor wie ein Kirchenschiff, so schummrig beleuchtet. Wird hier Freitagnacht noch gebraut? Im Dunklen sehe ich jemanden prüfend durch das Sudhaus gehen, offenbar der Brauer. Er bemerkt meine interessierten Blicke und kommt freundlich schauend auf mich zu. Schnell sind wir im Gespräch. Sehr sympathisch, diese Giesinger Brauer 🙂 . Ich frage ihn gleich, ob denn da noch gebraut würde. Es riecht so gut nach – ja man kann das tatsächlich riechen – einem Gerstensud, kein Weizen, und was er denn da feines braut. Nein, meint er, er wäre schon vor vier Stunden mit dem Brauen fertig geworden. Der Duft wäre der von einem Märzen. Ich erfahre von ihm auch den Hersteller des Sudhauses: Johann Albrecht. Diesen kannte ich bisher nur von Hausbrauereien, unter anderem in Düsseldorf. Ja genau, dieser ist es, bestätigt er. Es gibt nämlich in Deutschland kaum mehr jemanden, der Brauanlagen in der kleinen Größe wie für die Giesinger Brauerei herstellt. Dann erklärt er mir noch kurz die verschiedenen Edelstahlzylinder im Sudhaus: Maisch- und Läuterbottich, Sudpfanne, Whirlpool, die ZKLs. Also so einen schönen ersten Besuch hätte ich mir nicht träumen lassen, fast mit Brauereiführung. (Tageslichtbilder von Brauerei und Stüberl gibt es hier in benhurs Terminankündigung der Brauereieröffnung zu sehen.)

Vor dem Sudhaus stehen einige Bierzeltgarnituren, alle voll besetzt. Ich frage den Brauer, wo ich mich am besten hin begeben solle. Er empfiehlt mir im ersten Stock die Theke, da sollte schon noch ein Platz frei sein. Und so war es auch. Der Rest des Bräustüberls war so voll besetzt wie unten. Nach der Begegnung mit dem freundlichen Brauer ein weiteres gutes Zeichen: Der Laden brummt.

Hinter der Theke fiel mir gleich die Biertafel auf. Diese ist voll und ganz nach meinem Geschmack, und das nicht nur der Biere wegen, die darauf gelistet sind. Über die bloßen Biernamens- und Preisangaben hinaus steht da nämlich zu jedem Bier noch detailliert beschrieben

  • die Bittereinheiten (BE) der Biere
  • die verwendeten Malze
  • die verwendeten Hopfen
    und 💡
  • die Hefen

Sehr schön! Das Drumherum in der neuen Giesinger Brauerei ist schon mal einfach nur gut.

Jetzt aber an die Biere!

Diese wurden hier im Blog teilweise schon beschrieben; ich beschreibe im folgenden, wie sie in der neuen Brauerei- und Stüberlumgebung auf mich wirken. Ich verlinke, wo ich was finde. Wenn ich ein Giesinger Bier übersehen haben sollte, wird benhur mir sicherlich helfen. 😉

Zuerst das Helle, genannt „Untergiesinger Erhellung„. Ein zwickelartiges Bier, natürlich malzig riechend, feine würzig blumige Hopfennote. Und mit Unterstützung der Biertafel habe ich hier zum ersten Mal die Gewissheit, dass die W34/70 Hefe, die ich zu riechen meine, wirklich diejenige auch ist.

Danach nehme ich in der Reihenfolge der Liste das nächste Untergärige, das Giesinger Märzen. Auch hier rieche ich wieder die W34/70, nur nicht mehr so rein und klar wie beim Hellen. Dafür steigen mehr fruchtige Düfte mit auf, jedoch nicht allzu aufdringlich. Die Malzangabe „Pilsner Malz, Wiener Malz, Carared“ lässt mich dies auch verstehen. Bei den drei Hopfen „Spalter Select, Mittelfrüher, Tettnanger“ staune ich nur, wie harmonisch die Giesinger Brauer diese komponiert haben. Das Märzen besticht durch seine Betonung auf das Malzige, lässt aber auch eine untermauernde kräuterige Hopfenwürze nicht missen.

Beim Giesinger Dunkel mache ich den Fehler, zuerst die Inhaltsangabe zu studieren: Nach Münchner scheint auch ein guter Anteil Pilsner Malz in der Schüttung zu sein. Ein eher für besonders helle Biere verwendetes Malz? Weiter „Caraaroma“, offenbar für Vollmundigkeit und wohl auch für die Farbe, sowie ganz klar für die Farbe: Carafa III. Das ist kein klassisches Dunkles, denke ich mir, so mit wirklich rein dunklem Malz gemacht. Das wird nicht so sein, wie die Dunklen von Riegele in Augsburg oder vom Kloster Weltenburg etwa, ganz zu schweigen vom diesjährigen Europameisterbier Fürst Carl Dunkel aus Ellingen. Ich bin skeptisch (was wie gesagt ein Fehler ist). Richtige Spannung erweckt in mir bei meinem Vorstudium der Inhaltsangabe dagegen der Hopfen Opal. Der ist mir in einem anderen Bier schon mal sehr positiv begegnet: in der Hopfenkrone von Steinbach in Erlangen. Von daher wusste ich noch, dass dies eine modernere Hofpensorte ist, die ein mittleres würziges Aroma gibt. Ich erwarte also ein eher untypisches Dunkles, was das Malzige angeht, dafür aber doch ein zum traditionellen Dunklen passendes Hopfenaroma. Oh Mann, kann man sich durch Lesen einen Kopf machen, noch bevor man das Bier serviert bekommen hat! Als ich es dann auf der Zunge hatte, war es gar nicht mehr so schlimm. Sehr sanft war es für ein Dunkles, rund und harmonisch. Der Hopfen mehr unbewusst in der Nase, sich fein dem zarten Malz unterordnend. Die Farbe des Dunklen ist gar nicht so dunkel. Ein rötlicheres Rotbraun vielleich, könnte man sagen. Alles in allem lässt es sich gut trinken. Ist im Charakter hauptsächlich malzig. Und im Vergleich zu meinen voran genannten Referenzdunklen halt einfach unkonventionell, weil eher leicht und zart dagegen. Warum auch nicht? 😉

Zum Schluss probiere ich noch ein Obergäriges, und zwar das Roggen. Wieder lese ich zuerst die Tafel und bemerke vor allem den Hopfen: „Tradition, Saphir“. Tradition! Damit hatte ich mich bei meinen ersten Selbstbrauversuchen etwas übernommen und mich damit übersättigt gehabt. Mist, schon wieder Skepsis! Doch zum Glück weit gefehlt. Denn das Giesinger Roggen ist im Vergleich zum vorherigen Dunklen so ziemlich das, was ich mir unter einem Dunklen Bier vorstelle. Vollmundig, brotig, malzig. Und es harmoniert perfekt mit den beiden Hopfen. Der Tradition unterstützt die Brotigkeit des Bieres, wogegen der Saphir ihm wieder eine gewisse Leichtigkeit gibt. So ist das Roggenbier mein Favorit des Abends, und mit der Hopfensorte Tradition bin ich wieder friedlich vereint.

Gleich noch mal hin

Diese erste gute Erfahrung mit der neuen Giesinger Brauerei schreit nach Wiederholung, und so mache ich mich am Sonntag noch mal auf den Weg. Weißwurstfrühschoppen soll es sein. Die Würste sind leider nicht ganz wohltemperiert, schmecken aber trotzdem ausgezeichnet. Den Temperaturmangel kann ich freundlich über den Kellner in die Küche weitermelden lassen. Ich bin zuversichtlich, dass sich das noch einspielen wird. Auf die Frage nach der Herkunft der – wirklich ausgezeichneten – Würste bekomme ich die Antwort, dass diese vom Metzger Bauch sind. Ich finde benhur (siehe nochmal die Terminankündigung) und mich in unserem Urteil über deren Geschmack bestätigt.

Zu den Weißwürsten nehme ich natürlich ein Giesinger Weißbier. Daran fällt mir sofort auf, dass man darin – weißbieruntypisch – den Aromahopfen riecht. Ich sitze diesmal nicht in Sichtweite der Biertafel und muss raten: Saphir? Ja! 🙂 Und dazu noch Smaragd Hopfen. Eine sehr gekonnte Kombination, muss ich sagen. Diese beiden edelwürzigen Hopfen passen sehr gut zu den überwiegend dunklen Malzen in diesem auch optisch eher dunklen Weißbier. Sogar mein Lieblingsmalz ist drin, das Melanoidinmalz. Spritzig, fruchtig, edelwürzig. Ein Weißbier, das mal gar nicht Banane ist.

Nach meiner etwas zwiespältigen Begegnung mit dem Giesinger Dunkel zwei Tage zuvor, probiere ich es heute nochmal, zu etwas früherer Stunde. Und so langsam werden wir Freunde, das Dunkle und ich. Ich empfinde es zwar weiter als sehr zart, finde daran jedoch so langsam richtig Gefallen. Denn dadurch kann ich alle Dimensionen dieses Biers unbeschwert wahrnehmen: Malz in zartfruchtiger Ausprägung, untergärige Hefigkeit und eine unaufdringlich würzige Hopfung. Ein wahrlich unkonventionelles und für mich neuartiges Dunkelbiererlebnis.

Bei meinem zweiten Besuch wage ich mich nun auch an den Weihnachtstrunk. Von früher hatte ich da noch in Erinnerung, dass da schon mal Zimt und Nelken, sogar Mandarinensaft zugegeben wurden (siehe benhurs frühere Erfahrung mit dem Weihnachtstrunk). Ich merke aber an dem Trunk nichts von diesen Dingen, jedenfalls nicht heraus stechend. Allenfalls eine leichte Nelkigkeit, die aber auch in streng reinheitsgebotlichen Weißbieren bekannt ist. Hmm… eigentlich ein sehr sehr schönes Getränk, und mir ist sogar fast zu wenig von den Weihnachtssachen drin. Ich sinniere beim Genuss noch etwas über das Reinheitsgebot, da bemerkt plötzlich der „Wirt“ des Bräustüberls, der Chef, mein Glas mit Weihnachtstrunk und kommt zu mir, wohl weil wir uns kurz zuvor schon etwas über die Münchner Brauereienlandschaft unterhalten hatten. (Er hatte mich z.B. wissen lassen, dass im Isartalbahnhof Großhesselohe wieder gebraut wird, unter dem Dach von Paulaner, aber von dem Brauer, der auch im Hacker-Pschorr-Keller auf der Theresienhöhe so fein braut.) Jedenfalls freute er sich offensichtlich über meine Wahl und verkündete stolz, dass dieser Weihnachtstrunk komplett nach dem Reinheitsgebot gebraut wurde, und die Weihnachtsaromen nur durch Hopfen erzeugt wurden. Da darf es von mir aus gerne öfter Weihnachten werden in Giesing!

Was gibt es sonst noch?

  • Auf einem Plakat im Bräustüberl wir ein „Eisbock“ angepriesen. Nur mit Reservierung für 6-8 Personen steht da, 200-300 ml sollen es sein, mit ≅18% Alkohol 😯 Eine Bedienung erklärt darauf angesprochen, dass dafür ein „normales“ Bier in einem speziellen gläsernen Behältnis eingefroren wird, wobei ein flüssiger Kern übrig bleibt, der dann eben dieser stark konzentrierte Eisbock ist. Leider halt nur für größere Gruppen, auf Bestellung.
  • Die Weißwürste vom Metzger Bauch habe ich schon erwähnt.
  • Immer zwei „Spezialbiere“. Der Bräustüberlchef mein dazu: „Die ersten vier Biere muss es immer geben, bei den Standards dürfen sich die Brauer austoben.“
    Die Standards sind also: „Untergiesinger Erhellung“, „Giesinger Weißbier“, „Giesinger Märzen“ und „Giesinger Dunkel“. Das Roggen und der Weihnachtstrunk sind damit schon mal zwei sehr gelungene „Austobungen“.
  • Wenn das Roggenbier alle ist – 60l sollten heute noch etwa vorrätig gewesen sein – wird es ein naturtrübes Pils geben. Es soll sehr sehr herb sein, warnt der „Wirt“.
  • Als weiteres Spezialbier kündigt sich bereits das Weizbockschwergewicht „Sternhagel“ an.

Das passt!

Nach meinen ersten Erfahrungen, vor allem mit ihren Bieren, hat die Giesinger Brauerei für mich einen fulminanten Start hingelegt. Die Standardbiere sind allesamt eine Empfehlung, teilweise unkonventionell, doch alle höchst gekonnt komponiert und irgendwie angenehm modern wirkend. Und mit den „Spezials“ der neuen Giesinger Brauerei dürfte die Martin-Luther-Straße 2 am Giesinger Berg zu einer der derzeit spannendsten Bieradressen in München werden.

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

4 Kommentare

  1. Das Märzen hat mich auf der Eröffnungsparty auch am meisten beeindruckt. Die vielen Malzaromen, zu denen das doch überraschend spürbare fruchtig-grasige des Hopfens so schön paßt, das ist spitze gemacht! Als Märzenfan kann ich nicht anders als das nun auch zu meinem Lieblingsbier zu erklären…

  2. Hallo Ralf,
    Ein toller Bericht. Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung. Hoffentlich schaffen wir es zwischen den Jahren mal zum Frühschoppen ins Bräustüberl.

  3. Hm. Ich hab hier eine Kiste Giesinger Hell da, Mhd 01/2015. Da schmeckt jede Flasche iwie „sauer“. Sagen auch meine Mittrinker. K.a. ob nur diese Charge daneben gegangen ist oder ob das Bier allegemein so schmecken soll…

  4. Sebastian,
    „sauer“ soll das Giesinger Helle nicht schmecken. Vielleicht hat die Temperatur in der Lieferkette nicht gestimmt – ein paar Stunden im Auto bei Sonnenschein können da alles kaputt machen. Gib dem doch nochmal eine Chance, wenigstens mit 1 Flasche…

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