Giesinger Bräu – Dunkler Doppelbock „Innovator“

Das vergangene Wochenende war mal eines so richtig rund „ums Bier“: Am Freitag die Eröffnung der Braukunst Live!, Samstag dann erst die 3. Deutsche Meisterschaft der Biersommeliers und am Abend wieder die Braukunst. Der Sonntag schließlich noch mal mit einem Veranstaltungsduo: 2.) dem dritten Tag der Braukunst und davor 1.) dem Bockbieranstich des Jubiläumsbieres „Innovator“ vom der Giesinger Bräu. Da könnte einem schon mal etwas schwindlig werden, allein von den vielen mehr oder weniger parallel laufenden Veranstaltungen, ohne dass man von dem dort jeweils im Mittelpunkt stehenden flüssigen Objekt auch nur einen Tropfen genossen hätte. Irgendwie ist es mir dann aber doch gelungen, auf allen drei Hochzeiten mit zu tanzen, und so war ich am Sonntagmorgen um kurz nach Elf beim Giesinger Bräu in der Martin-Luther-Straße 2.

Martin Luthers Jubiläumsbier

„Martin Luther“ – das war das Motto der Veranstaltung, die mich so früh nach Giesing gelockt hatte. Genau genommen ist er nicht nur das Motto des Tages gewesen. Mann muss nämlich wissen, dass das ganze Jahr 2017 voll im Zeichen Martin Luthers steht. Denn vor 500 Jahren, angeblich am 31. Oktober des Jahres, soll Luther seine 95 Thesen am Hauptportal der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen haben. Sehr gut nachzulesen ist das in der Wikipedia.

Wahrlich eine „Sonder-Edition“

500 Jahre Reformation und Luther. Da luthert es heuer überall. Beim Giesinger sowieso: Die Brauereiadresse ist die Martin-Luther-Straße 2, und direkt nebenan, deutlich näher als die katholische Heilig-Geist-Kirche, steht die Giesinger Lutherkirche. Mit der Gemeinde dieser Kirche gab es schon gemeinsame Veranstaltungen, ein Sommerfest etwa. Und so hat man heuer also zusammen ein Jubiläumsbier entwickelt. Sein Name kommt vermutlich nicht allein von der Gemeinde. Da hätte es „Lutherator“ oder gar „Reformator“ heißen können. Doch für einen neuen Münchner „-ator“ ist „Innovator“ meiner Meinung nach ideal, zeugt das doch auch vom Geist der Giesinger Braumannschaft.

Die Sache mit Luther geht jedoch noch weiter. Auf das Flaschenettiket für die Innovatoren haben die Giesinger nämlich statt ihres Haus-Logos, der Heilig-Geist-Kirche, die Lutherkirche drucken lassen. Die Flasche aus der Ferne betrachtet könnte man das leicht übersehen, kommt die kleine Kirche doch genau so groß raus wie die große. Und wenn man eine Lupe nimmt, gibt es noch mehr Details zu entdecken. Der Vogel über der Kirche (ein Turmfalke?) fliegt über beiden Kirchen in dieselbe Richtung, jedoch bei der Heilig-Geist-Kirche auf den Turm zu, über der Lutherkirche davon weg. Das ist sogar auf dem Käpsle des Innovator zu sehen, auf dem ebenfalls die Silhouette der Lutherkirche prangt.

Und als ob das nun nicht schon genug wäre, hat der Etikettdesigner noch eins drauf gesetzt! Die Uhr der Lutherkirche zeigt nicht Halb Zwölf, sondern Siebzehn nach Drei, nachmittags, also 15:17 – die Ziffernfolge für das Jahr der Reformation.

Und als vorerst letztes mir bekanntes Detail kann man, wenn man zwei Lupen nehmen würde, an der Tür der Lutherkirche auch einen Zettel angeschlagen sehen. Bei meiner ersten Innovatorprobe, später oben im Bräustüberl, kam der Braumeister Simon zu uns und klärte uns darüber auf, dass das kein Thesenpapier von Luther sei, denn darauf stünde wohl:

Bin im Stüberl. Luther

Hätte es die Giesinger Bräu bereits vor 500 Jahren gegeben, und statt in Giesing in Wittenberg, dann hätte womöglich die Reformation nie stattgefunden. 

Bilder vom Anstich

Hab ich keine. Ich war zwar frühzeitig da, etwa zwanzig Minuten vor dem offiziell verlauteten Anstichtermin 11:30 Uhr, hatte aber den Festgottesdienst verschlafen. Und wer zu spät kommt, oder nicht rechtzeitig in die Lutherkirche, oder so ähnlich …  Nein – das Sudhaus, in dem der feierliche Bockbieranstich stattfand, war einfach zu klein, alle Luther-, Bockbier- und Giesingerfans aufzunehmen. Ich konnte nur durch die Sudhaustür die Ansprache der evangelischen Pfarrerin, des Brauereichefs und des Braumeisters mehr sehen als verstehen. Schön sah das alles jedenfalls schon aus. Sehr schön. Höchst feierlich und des großen Jubiläums würdig.

Natürlich hab ich trotzdem ein paar Fotos gemacht. Und sogar eines vom Anstichfestakt kann ich zeigen. Der Zufall wollte es, dass ich oben im Stüberl Michael Buseman von DIE KOELNER Agentur für Kommunikation traf, bzw. wieder traf. Er ist Biersommelier, war am Vortag einer der Teilnehmer an der Deutschen Meisterschaft der Biersommeliers, und hat mir freundlicherweise einen Schnappschuss überlassen, den er vom Stüberl aus durch das Fenster zum Giesinger Bräu Sudhaus machte. Darauf sieht man Braumeister Simon ein paar Worte sprechen, wenige Augenblicke bevor die evangelische Pfarrerin Verena Übler (rechts im Hintergrund) das erste Fass anstechen durfte. Dank der modernen Fass- und Zapfhahntechnik gelang ihr das mit nur einem (!) Schlag.

Meine eigenen Bilder

Wie man sieht, habe ich dann im Stüberl auch einen Innovator abbekommen. Er wurde dort in 0,3er Einheiten im TEKU-Pokal serviert.

Der Innovator

Optisch einwandfrei. Stichworte: beiger Schaum und natürliche Trübung – unfiltriert. Riecht kräftig malzig, hopfig würzig und ein wenig karamellig. Deutlich wahrnehmbar (wenn man weiß, dass sie drin sind) die Hopfen Hallertauer Tradition und Saphir. Der Trunk stimmig, vollmundig kernig. Mit Süße im Anfang, Übergang zu Würzigkeit und mit heiter malzigem Nachtrunk. Die Bittere im Nachklang deutlich herb, aber nicht zu stark – ein leicht herber weicher Teppich.

Die gekonnte Hopfung sticht für mich besonders hervor. Sie ist punktgenau, sehr zum Bierstil passend, weil bestens abgestimmt auf die malzigen Züge des Innovators.

Insgesamt ist der Innovator eine eher moderne Interpretation des dunklen Doppelbocks. Er wirkt gar nicht schwermalzig süß, eher erstaunlich schlank, dabei doch vollmundig, begleitet von der gar so passenden Hopfenwürze.

Ein wenig verwirrt mich, dass die verschiedenen sensorischen Dimensionen je nach Konzentration auf Malz, Hopfen, Spritzigkeit, Süße oder Vollmundigkeit sich beliebig in den Wahrnehmungsmittelpunkt rücken lassen, so als ob sie eher noch nebeneinander als miteinander daher kommen. Das kann am TEKU-Glas liegen, das diese Eindrücke auflöst, oder man sollte dem Bock noch etwas Zeit zum Reifen und Verschmelzen geben. Dazu müsste ich in ein paar Wochen nochmal kommen.

Acht Tage später

So lange wollte ich nicht warten. Ich war inzwischen schon wieder da, der Innovator ist jetzt im Regelbetrieb. Da bekommt man ihn auch als Halbe in dem stangenförmigen Glas, in dem z.B. auch das Giesinger Märzen serviert wird. Hier wirkte der Bock wie vom letzten Wochenende noch bekannt auch wieder eher schlank. Doch in der Nase war eindeutig der Hopfen dominant, und ja – ganz deutlich Hallertauer Tradition. Das kann doch nur am Glas liegen. Da kam mir die Idee, doch einfach mal verschiedene Gläser nebeneinander zu probieren. Und siehe da – man kann sich tatsächlich aussuchen, wie das Bier sich zeigen soll.

Beim Glas besser antik bleiben

Zur Verfügung standen drei Glastypen. Der TEKU-Pokal, eben die Stange, und das Glas, das eigentlich für das Helle, die Giesinger Erhellung verwendet wird. Es handelt sich dabei um einen „Willi Antik“ (vom Glashersteller Sahm), eine etwas breitere Ausführung des Willi-Bechers.

Stange

Sie ist besonders für die Hopfennase geeignet, wenn man eine solche hat. (Soll man nun dazu „Hopfen-Stange“ sagen?) Die Malzfülle im Bock wird etwas eingeengt. Der Doppelbock wirkt überraschend schlank.

TEKU

Hier drin wirkt der Innovator wie ein genialer Professor: etwas zerstreut, schnell das Thema wechseln könnend. Genau wie ich es vor acht Tagen empfunden hatte. Das ist in jedem Fall was für Bieranalytiker. Ich würde sagen, aus diesem Glas zeigt sich der Innovator am vielseitigsten, ist dafür aber daraus auch am schwierigsten zu verkosten.

Willi Antik

Für einen Dunklen Doppelbock scheint mir dieser Becher das geeignetste Gefäß zu sein, es ermöglicht den vollen Trinkgenuss. In der Nase tut sich etwas wenig, dafür umso mehr auf der Zunge, wenn das Bier über den weit auseinander gezogenen, doch sonst normal dünnen Glasrand hinweg voll darauf schwappt. So kann sich der Innovator zu einer vollen rundum bierigen flüssigbrotigen Malzwelle entfalten.

Wohin, Innovator?

Ich kann also nicht eindeutig zu einem bestimmten Glas raten, auch wenn ich selbst den „Willi Antik“ bevorzuge. Probieren sollte, nein muss man dieses Jubiläumsbier jedoch unbedingt! Durchaus in den verschiedenen Darreichungsformen.

Dieser Doppelbock wurde vorerst nur einmal gebraut. Doch wenn es den Gästen gefällt und fleißig nachgefragt wird – wer weiß – vielleicht hat München mit dem neuen „-ator“ auch einen neuen Bockbieranstich bekommen. Ich bin vermutlich nicht der erste, der sich den Innovator jährlich wünschen würde.

Jedes Jahr ein Innovatoranstich? Das wäre doch eine willkommene Innovation!

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

Ein Kommentar

  1. Markus von Armansperg

    Lieber Blogger,
    mt Interesse habe ich Deinen Kommentar zum Bockbieranstich des „Innovators“ gelesen. Als einer der Kirchenvorsteher der Lutherkirche kann ich darüber aufklären, wie es zu der Namensgebung kam. Am Anfang stand tatsächlich die Idee, einen „Reformator“ zu kreieren, doch diese Bezeichnung für ein Bier war markenrechtlich geschützt. Wir haben uns dann im Kirchenvorstand weiter Gedanken gemacht, aber immer im Hinterkopf behalten, dass der Name sowohl zum Reformationsjubiläum als auch zum Giesinger Bräu passen sollte. Heraus kam der „Innovator“. Luther und die Reformation hatten viele innovatorische Züge. Der Innovator weist zudem in die Zukunft, Aufgabe und Perspektive zugleich für die Kirchen, während der Reformator lediglich 500 Jahre zurückblicken lässt. Zudem ist der Giesinger Bräu als Spezialitätenbrauerei neu und innovatorisch. Das passte also alles zusammen. Daher war Steffen Marx vom „Giesinger“ dann auch gleich mit diesem Namen einverstanden. Schön, dass Du diese Gedanken herausgelesen hast, was zeigt, dass das Bier richtig verortet ist!
    Mit herzlichem Gruß
    Markus von Armansperg

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