Das Geheimnis der Forschungsbrauerei – Eine Brauereiführung

Wer in die Forschungsbrauerei in München-Perlach geht, der tut dies eigentlich nur aus einem einzigen Grund: Wegen des außergewöhnlichen Bieres, das dort gebraut wird. Ich hatte im vergangenen Jahr bereits bei Stefan Jakob, dem heutigen Inhaber der Brauerei, um eine Führung angefragt. Vor der Winterpause ergab sich jedoch keine Gelegenheit mehr dazu. Eigentlich ganz gut. Denn ich habe Freunden und Mit-Trinkern von meinem Vorhaben erzählt, und so fand sich bis zum Juni 2009 um mich herum eine kleine Gruppe von Liebhabern des Forschungsbieres zusammen, die wie ich alle sehr interessiert waren zu sehen, wie denn ihr Lieblingsgetränk gemacht wird.

Wir kommen alle eigentlich ziemlich regelmäßig in die Unterhachinger Straße 76 zur Forschungsbrauerei und kennen das Bräustübl und den Biergarten fast als unser zweites Zuhause. Und auch der Bräu ist uns schon recht gut vertraut. Trotzdem waren wir an diesem Abend alle aufgeregt wie kleine Kinder. Wochenlang schon hatten wir auf den Tag der Brauereiführung gewartet, als ob Weihnachten und Ostern an diesem Tag zusammen fallen würden. Stefan Jakob verstand es auch meisterhaft, diese Erwartungshaltung noch zu steigern. Wir gingen nämlich nicht einfach los um auf dem schnellsten Weg zu den Brauanlagen zu kommen. Nein. Stefan schickte uns erst durch den Eingang zum Biergarten hinaus vor das große Einfahrttor zur Brauerei, welches er dann per Knopfdruck majestätisch langsam für uns zur Seite gleiten ließ. Ehrfürchtig durchschritten wir die Pforte und betraten alle zum ersten mal den Boden des geheimnisvollen sagenumwobenen Brauereibereichs.

Die Geschichte der Forschungsbrauerei

Noch draußen vor dem Sudhaus gab uns Stefan eine umfassende historische Einführung.

Der Anfang

Eine Inschrift über dem Eingang zum Sudhaus trägt die Jahreszahl 1936. In diesem Jahr wurde die Brauerei gebaut. Die Brauereigeschichte in Perlach begann aber schon einige Jahre früher. Gegen Ende der 20er Jahre hatte Gottfried Jakob, der Gründer der Forschungsbrauerei, im Elternhaus von Stefan mit einer 200l-Anlage seine ersten Versuche unternommen – im dazu ausgebauten Keller. Die Brauerei an der heutigen Stelle baute er dann, um praxisnäher arbeiten zu können. Mit seiner ersten großen Anlage hatte er seine Kapazität gleich verzehnfacht, konnte also in einem Brauvorgang 20hl „ausschlagen“, wie es in der Brauerfachsprache heisst. Der Raum, in dem heute noch der Zapfhahn ist, war damals das erste Perlacher Bräustüberl. Bereits 1937 kam der zweite Raum dazu, die heutige Probierstube.

Kurz danach war jedoch erst mal Schluss mit Bierbrauen. Im Krieg wurde das Brauen verboten, weil die Gerste als Nahrungsmittel für die Bevölkerung diente. Erst 1948 wurde die Brautätigkeit wieder aufgenommen. Mit „Einfachbier“, einem dünnen Bier.

Brauereiwissenschaftler Gottfried Jakob

Von Gottfried Jakob, dem Gründer der Forschungsbrauerei, hatte ich bis dato nur die Legenden gekannt, welche die älteren Gäste noch heute ab und an erzählen. Eine Brauerlegende war Stefans Großvater in der Tat. Und dies bereits zu Lebzeiten, berichtet der Enkel. Bevor er seine eigene Forschungsbrauerei hatte, führte er Forschungen für große Brauereien mit bekannten Namen durch. Er baute unter anderem für den Direktor der Binding Brauerei, die heute das Clausthaler herstellt, das erste Brauereilabor auf. Stefan spricht von seinem Großvater dann auch nicht einfach von einem „Brauer“, sondern von einem „Brauereiwissenschaftler“. Aus Nördlingen stammend hatte er dort mit 16 Jahren eine Brauerlehre absolviert. Danach erwarb er einen dreifachen Ingenieurstitel: Chemie-Ingenieur, Maschinenbau-Ingenieur und schließlich auch noch den eines Brauerei-Ingenieurs.

Gebraut wird natürlich nach dem Reinheitsgebot

Das geht in Bayern gar nicht anders. Enkel Stefan ist ebenfalls ein höchst kompetenter Brauer und kennt sich somit auch mit dem Brauwesen außerhalb Deutschlands aus. In Österreich z.B. seien noch mehr Zutaten erlaubt als nur Wasser, Hopfen und Malz. Auf die Frage eines Zuhörers, welche das denn wären, verriet er, dass in Österreich auch Zucker zugegeben werden darf.

Zucker? – Pfui!

war unser einstimmiges Echo darauf. Denn die Braukunst besteht unter anderem darin, die Stärke aus dem Malz in vergärbaren Zucker zu verwandeln, so dass die Zugabe von Fremdzucker nicht erforderlich ist. Damit das Bier aber eine gleich bleibende Qualität bewahrt ist noch einiges mehr vonnöten. Stefan sagt

die Braukunst ist

dass man jeden Sud gleich hin bekommen sollte
und dass man die unterschiedlichen Ernten ausgleicht.

Es war schon sehr beeindruckend, Stefan Jakob ein mal in seiner eigentlichen Arbeitsumgebung als Brauer kennenzulernen. Normalerweise sehen wir ihn ja meist hinter der Theke stehen, wo er sein Produkt in die Maßkrüge für die Bräustüblbesucher ausschenkt. Hier aber im Sudhaus, hörte man aus jedem Wort heraus, dass er ein echter Brauer ist, und seines Großvaters würdig. Mit großer Fachkompetenz und doch auch für den Laien verständlich erklärte er uns den Ablauf des Brauvorgangs vom Schroten über das Einmaischen und Läutern bis zum Würze Kochen, Ausschlagen und zur Hefegabe.

Edle Rohstoffe

Stefan verriet uns auch die Herkunft der Rohstoffe:

Malz aus der Mälzerei Lagerringen in bayrisch Schwaben. In der Forschungsbrauerei kommt ausschließlich Gerstenmalz zum Einsatz. Weizenmalz ist nämlich für untergärige Biere nicht erlaubt, ließ Stefan uns wissen. Und die beiden Forschungsbiere sind untergärige Biere.

Hopfen aus der Hallertau. Besonders bemerkenswert ist, dass die Jakobs noch Naturhofpen verwenden. Keine Spur von Hopfenpellets oder gar Extrakt, wie in Großbrauereien üblich.

Wasser aus dem Münchner Trinkwassernetz. Ja, richtig! Ganz normales Trinkwasser wird für das Forschungsnass genommen. Darüber waren wir doch alle recht erstaunt. Großvater Gottfried hatte früher noch einen eigenen Brunnen. Inzwischen ist der Grundwasserspiegel aber zu weit abgesunken. Und zudem wäre die Aufbereitung und Kontrolle für eine Kleinbrauerei zu aufwändig. Daher nimmt man heute das Münchner Trinkwasser. Mit seiner mittleren Härte passt es hervorragend für die kräftigen Biere aus dem Hause Jakob. Tja, die Braukunst besteht halt auch darin, mit dem vorhandenen Wasser genau das Bier zu brauen, das am besten damit gelingt.

Stefan hat noch vieles mehr erzählt. Daraus ließe sich schon fast ein Brauerhandbuch erstellen, oder ein abendfüllender Lehrfilm. Darum schnell weiter auf dem Rundgang, hinab in den Keller, den Bereich der Brauerei, den man ausschließlich bei einer Brauereiführung zu sehen bekommt…

Der Keller

Wer glaubt, dass das Bier dort unten nur gelagert wird, der irrt sich gewaltig. Stefan hat auch hier wieder kompetent erklärt, was im Keller alles abläuft: Hauptgärung, Nachgärung, Reifung und Lagerung. Alles eigentlich genau so, wie ich es bei vielen Brauereiführungen schon gesehen hatte, und doch war es ganz anders – hier in der Forschungsbrauerei. Man hat hier nämlich nur das modernisiert, was unbedingt erforderlich war, aber sonst alles im Originalzustand belassen. Zumindest sah es für uns so aus. Wir hatten beim Anblick der Geräte, allen voran die Abfüllanlage, die aussieht als hätte man sie aus einem Brauereimuseum entwendet, das Gefühl, uns auf einer Zeitreise in die Anfangsjahre der Bundesrepublik zu befinden.

Extrem lange Lagerung für den Bock

Das ist unbedingt einen eigenen Absatz wert: Die Lagerzeit des „Sankt Jakobus“, des „Blonden Bocks“ der Forschungsbrauerei beträgt gute fünf Monate! Diese Zeit braucht der Bock, um seinen vollen Geschmack zu entwickeln

wie ein schwerer Rotwein

vergleicht Stefan. Man lässt dem Bier hier einfach die Ruhe und die Zeit, die es braucht, um genau den perfekten Geschmack auszubilden, für welchen es weit über die Stadtgrenzen Münchens hinaus berühmt ist. In dieser langen Zeit ruht der Bock bei Temperaturen knapp unter Null Grad Celsius.

Flaschenbier hält nicht so lang

Auf das Flaschenbier aus dem Brauereiverkauf gibt Stefan „nur“ zwei bis drei Monate Haltbarkeit. Das liegt unter anderem daran, dass die Flaschen in den Kellern der Wohnhäuser natürlich bei deutlich höherer Temperatur herum stehen. Auf lange Haltbarkeit in der Flasche ist man in der Forschungsbrauerei ohnehin nicht aus. Stefan sagte uns

Wir wollen ja gar kein haltbares Bier machen.

Es ist ein Lebensmittel. Und es lebt auch.

Und – man lebt auch davon.

Das Geheimnis

Stefan hat uns in den fast 90 Minuten, welche die Führung gedauert hat, vieles gezeigt und erzählt, und dabei durchaus auch das eine oder andere „Geheimnis“ enthüllt: Die Herkunft der Zutaten, den exklusiven Einblick in das Sudhaus, die „technischen“ Daten der Biere wie den Stammwürzegehalt und die Ausschlagmenge des Sudhauses. Ebenso die komplexen biochemischen Abläufe beim Brauen.

Dass das genaue Rezept weiter ein Geheimnis bleibt, versteht sich von selbst. Dies zu erfahren hat auch keiner von uns erwartet. So kann ich hier also nur eine Vermutung wiedergeben, die sich mir durch die folgende Beobachtung im Sudhaus aufdrängt: Dort stehen für den Brauvorgang nämlich drei Kessel bereit, und nicht nur zwei, wie in den meisten Brauereien, die ich bisher besichtigt habe. Ja, genau genommen ist die Forschungsbrauerei die einzige mir bekannte Brauerei mit drei Kesseln, die da wären: Maischebottich, Läuterbottich und Sudpfanne. Meine Schlussfolgerung daraus: Es wird nach dem Dekoktions-Verfahren eingemaischt, im Gegensatz zum heute allgemein üblichen Infusionsverfahren, also nach der Methode, die als die alte ursprüngliche bayerische Brauart bekannt ist. Doch wie gesagt: Reine Spekulation meinerseits!

Was jedoch neben dem Rezept mit Sicherheit auch einen Großteil des Erfolges der Forschungsbrauerei ausmacht, ist dass hier ganz offensichtlich noch so gearbeitet wird, wie der Großvater Gottfried Jakob begann. Natürlich hat es die eine oder andere Veränderung gegeben. So z.B. im Jahr 1974 die Erweiterung des Sudhauses um den neuen rot gekachelten Läuterbottich, der durch die große ebenfalls neue Frontscheibe weithin sichtbar ist. Aber ansonsten hat man alles, was sich bewährt hat, einfach so gelassen wie es war und lässt es auch weiterhin so.

Das Geheimnis der Forschungsbrauerei ist für mich also, dass man hier in Perlach die „gute alte Zeit“ eben einfach die „gute alte Zeit“ sein lässt! Das heisst dann auch, mit Neuerungen höchst behutsam umzugehen. Man denke nur an die erst heuer stattgefundene „Schweinsbratenrevolution“ auf der Menütafel – mehr als 70 Jahre nach der Eröffnung des Bräustübls.

Das WAHRE GEHEIMNIS der Forschungsbrauerei

Alles, was ich bis hier her geschrieben habe, ist doch noch mehr oder weniger greifbar und hätte so auch in jeder anderen Brauerei stattfinden können. Ich bin mir sicher, man müsste nicht allzu weit fahren, um einen ähnlichen Familienbetrieb zu finden. Bei unserem Brauereirundgang war aber an jeder Stelle, in jedem Winkel noch etwas nicht fassbares, ganz besonderes zu spüren: Der Geist des Brauereiwissenschaftlers Gottfried Jakob, des Begründers und Erbauers der Forschungsbrauerei. Ein Geist, der es verstand, sich die Geheimnisse von Hopfen und Malz auf seine eigene geniale Art zu erschließen, und der sein Wissen anderen Brauern und ganz besonders seinen Nachkommen weiterzugeben wusste.

Das wahre Geheimnis der Forschungsbrauerei, so wie wir sie heute kennen, ist für mich die Fähigkeit der Familie Jakob, die Tradition, welche Gottfried Jakob in Perlach begann, nachhaltig zu bewahren und weiter zu pflegen und damit den genialen Geist des Gründers der Forschungsbrauerei auch heute noch lebendig sein zu lassen.

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

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