Zoigl in Windischeschenbach und Neuhaus

echter Zoigl vom Kommunbrauer

Einige Artikel und die Beschäftigung mit dem Thema „Bier selber brauen“ brachten uns unweigerlich zum Stichwort „Zoigl„. Und es festigte sich der Entschluss: da müß‘ ‚mer hie‘! Nach der Konsultation des Zoigl-Kalender 2010 für die Oberpfalz kristallisierte sich Termin und Ort heraus: die beiden Nachbarorte Neuhaus und Windischeschenbach haben beide ein sehr aktives und sehr altes Kommunbrauwesen. Treffpunkt war bei hochsommerlicher Hitze erst mal das tiefste Loch der Erde (über 9km tief!) beim Geozentrum KTB – der Abstecher lohnt sich. Von dort bezogen wir unser Quartier im Oberpfälzer Hof mitten in Windischeschenbach und stellten fest, dass hier gerade ein Stadtfest in Konkurrenz zur Fußball-WM um die Besucher buhlte – doch uns interessierte beides nicht, wir hatten ja was besseres vor. Also auf zur ersten Schänke!

Zoigl in Windischeschenbach

Erst einmal lernten wir, woher der an diesem Wochenende ausschenkende Brauer seinen Namen „Beim Gloser“ hatte: er ist nämlich genau das, der Glaser von Windischeschenbach:

Wer Glaser ist und Fenster baut
Und ständig was zusammenhaut
Gleicht den Verlust im eignen Haus
Mit dem Verkauf von Zoigl aus.

Nachdem wir endlich das unscheinbare Anwesen gefunden hatten, erntete der Wirt auch schon unsere Sympathien: die Gaststube war leer, alle standen draussen, wo schön abseits der unvermeidliche Bildschirm aufgehängt war, und wir hatten unsere Ruhe vom Ball und fühlten uns in der kleinen alten Wirtsstube wohl, umgeben von alten Krügen und Bierfilzln. Die Speiskarte bot weit mehr Leckereien als wir zu essen vermochten – und das auch noch weit, weit schmackhafter, als wir zu hoffen wagten! Und natürlich, die „Hauptperson“, das Bier: von einer wunderbaren Märzen-Farbe, mit perlendem Schaum, der schnell zerfällt und also zum Trinken mahnt – und wie das geht! Süffig, spritzig, jung, kraftvoll! Unglaublich! Noch unglaublicher ist, dass man soviel Geschmack für nur 1,60€ bekommen kann. Aber schier märchenhaft ist es, wenn man erfährt, dass dieses Bier vom Junior-Bräu kreiert wurde, der noch in der Brauerausbildung steckt! Wir schreiben ihm unverzüglich einen Meisterbrief mit Bestnote aus!

Zoigl in Neuhaus

Zur Verdauung unternahmen wir nun einen kleinen Spaziergang durch den Ort und dann den Berg hinauf zur Burg Neuhaus und weiter zum dort oben heute ausschenkenden Brauer: dem Käck’n. Hier geht man durch ein grosses Tor in den kleinen Hof und wird schon von fröhlichen Menschen begrüßt

„jo, setz‘ di do hera!“

Gebracht wird uns ein etwas helleres, klareres Zoigl mit einem intensiven Geruch nach Getreide und Maische, dessen Geschmack im Vergleich auch geradliniger, ausgereifter, insgesamt sehr rund und ausgewogen ist, also einfach ausgesprochen professionell daherkommt. Auch dieses Bier ist extrem süffig und – noch – erfrischend, ein absolutes Highlight! Dazu essen wir saure Bratwürscht, so ganz anders als unsere fränkischen Gaumen dies gewohnt sind: weiß, aus feinem Brät und in wenig Sud eingelegt, ganz ohne Wacholder auskommend. Es kommen Erinnerungen an die Bamberger Blaue Gelbwurst auf … Wie das Bier: sehr geschmeidig. Prädikat: eine „Entdeckung“ (beide!). Kein Wunder, ist der Käck’n-Wirt ja hauptberuflich Metzger!

Brauen beim Käck’n

Wie wir so ins Gespräch kommen – mit unseren gleichen T-Shirts fallen wir ja nun doch ein wenig auf – finden Senior- und Junior-Brauer Schönberger trotz des immer voller werdenden Hofs sogar noch die Zeit, uns über ihr Bierbrauen zu erzählen und die Räumlichkeiten zu zeigen: Gesiedet wird ja im Kommunbrauhaus, zum offenen Gären (14 Tage lang) kommt der Sud (ca. 22 Hektoliter) dann hierher, danach muss er noch etwa 5 Wochen bei 6-8 Grad lagern und reifen. Früher geschah das in den uralten Felsenkellern unterm Haus mit ihrer natürlichen Kälte, die jedoch in verschiedenen Ebenen lagen, sodass das Bier von recht unterschiedlicher Qualität geriet und auch schon mal sauer wurde, zumal das poröse Gestein im Sommer die Kälte nicht gut hält. Kanalarbeiten der Stadt erforderten dann noch ein Abmauern, woraufhin die Temperatur im Lagerkeller zu sehr anstieg. Nun wird in Kühlräumen in Edelstahltanks gereift, was der Qualität offensichtlich sehr geholfen hat.

Das Kommunbrauhaus in Windischeschenbach

Im Kommunbrauhaus in Windischeschenbach brauen 9 aktive (und 3 derzeit inaktive) Braufamilien zusammen etwa 68 Sude pro Jahr. Der junge Gloser-Bräu siedet pro Sud für etwa 30 Hektoliter. Die derzeitig Anlage ist im wesentlichen von 1928 mit einem neueren Kessel aus Schwarzguss. Alles wird mit holzgeschürtem Wasserdampf betrieben, mit demselben Antrieb über die verschiedenen Gänge; der Wasserstandsanzeiger in Form einer Schnur über Umlenkrollen ist also das wesentliche Steuerelement. Durch das Erhitzen mit Holzfeuer steigt die Temperatur der Maische kontinuierlich anstatt in Rastern (wie bei modernen Brauanlagen), sodass für dieses Maischverfahren ein gutes Malz mit kurzer Verzuckerungszeit notwendig ist.  Beim Gloser wird Hopfen aus eigenem Anbau verwendet, andere Zoigl-Brauer kaufen ihren Hopfen aber auch zu. Die Hefe stammt bei diesem Bier aus Bischofshof, wo Moritz Popp ja Brauer lernt, und wird nur 1x verwendet, da sie sonst aufbewahrt werden muss, obwohl sich wiederverwendete Hefe auf den ph-Wert einstellt. Gloser-Zoigl erfährt eine langsame, kalte Gärung bei 7,5 – 8 Grad. Da jeder Brauer einen anderen Gär-Ort (und damit auch die Temperatur) hat, wird auch jedes Bier anders. So ein Brautag beginnt z. B. um 21:00 Uhr mit dem Anschüren, von 4:00 bis 15:00 ist der Brauer dann am arbeiten, i. d. R. alleine, nur zum Läutern braucht er Hilfe.

Zum Schluss gibt uns Moritz Popp noch seinen persönlichen Bier-Tipp: Chodovar wird in Tschechien ebenfalls nach einer ganz alten Tradition gebraut: mit eigener Tennenmälzerei, offenen Gärkellern, kalter Nachgärung gebraut. Das müssen wir wohl auch mal testen!

Das Kommunbrauhaus in Neuhaus

Im Kommunbrauhaus in Neuhaus brauen 6 Brauer rund um den Marktplatz ca 50 – 60 Sude im Jahr für Zoigl-Ausschank plus ein paar Hausbrauer. Jeder Sud gibt etwa 22 Hektoliter Bier. Pro Sud werden 1,5 Ster Holz verbraucht. Der Brauprozess selbst ähnelt natürlich dem, was wir schon in Windischeschenbach erfahren haben. Hier ist die Anlage ein bischen mehr modernisiert, was sich z. b. im neuen Kühlschiff aus Edelstahl (statt Kupfer) zeigt. Wir erfahren noch, dass früher oft die Zimmerleut in der Kellerkammerl wohnten und „nebenberuflich“ auf der Darre darüber mälzten.

Alle Bilder des Wochenendes:

Über benhur

Ich stamme aus dem schönen Altmühltal, wo auch mein Lieblingsbier herstammt (das Wettelsheimer Strauss) und meine Lieblingssorte Märzen verbreitet ist. Mittel- und Centralfranken (Nürnberg) ist biertechnisch auch mein Schwerpunkt, die Zeit im Münchner "Exil" hat aber auch ihre Spuren hinterlassen.

3 Kommentare

  1. Der Bayerische Rundfunk scheint in letzter Zeit so richtig auf den Biergeschmack gekommen zu sein. Nach dem Bericht über die Forschungsbrauerei vorletze Woche kam heute in der Frankenschau ein Bericht über den Zoigl in Windischeschenbach. Hier nachträglich anzuschauen: http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/frankenschau-aktuell/windischeschenbach-bier-video-ID1314016351227.xml. Dort kann man Vater und Sohn Gloser, also Martin und Moritz Popp, wieder sehen, sowie das Kommunbrauhaus und das tolle Kühlschiff darin.

    Im Live-TV kam eine verkürzte Fassung, in der aber auch der Käck’n-Wirt (kurz) zu sehen gewesen wäre. Den hat man hier in der Vollversion leider weggelassen. 😕

  2. Gloser-Zoigl im Mai 2012:
    An unserem Mitbrau-Wochenende bekamen wir von Familie Popp auch den aktuellen Zoigl zum Genuß. Auch dieses Mal hatte er diese schöne dunkel-kupferne Farbe mit dem schönen Schaum, der schnell zerfällt, und einen frischen, hopfigen Geruch.
    Beim Antrunk kommt zuerst das Malz, ein wenig getreidig, ein wenig karamellig. Dazu kommt gleich ein vollmundiger Körper, der aber mit der Spritzigkeit des Hopfens gleich wieder luftig gemacht wird. Ein sehr ausgewogenes Bier, das gleichzeitig erfrischt und sättigt – spitze!

  3. Käck’n-Zoigl im Mai 2012:
    Da auch beim Käck’n in Neuhaus an diesem Wochenende Ausschank war, wollten wir natürlich auch hier nochmal geniessen (und vergleichen):
    Das Bier ist so viel heller als beim Gloser, ein ganz helles Bernstein oder fast schon dunkles Goldgelb, mit einem „kleinen“ Schaum. Der Geruch ist zuerst deutlich Hopfen, aber mit der zweiten Nase gnaz klar Malz. Beim dritten mal ist es beides gemeinsam – sehr interessant, das! Beim ersten Schluck kommt dazu noch ein unagenehmer seifiger Geruch hervor (vielleicht vom Glasspülen?), aber sobald die Flüssigkeit den Gaumen berührt, werden die Geschmacksknospen mit einem samtigen Geschmeide umspült, das man direkt abheben möchte!
    Ein sehr gut durchmischtes, geschmeidig weiches und absolut süffiges Bier.
    Wir erfahren noch, dass es jetzt mit Hersbrucker Aromahopfen (anstelle der bisherigen Hallertauer Perle) gebraut wird.
    Klasse!

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