Neue Trinkkultur im Weissen Bräuhaus im Tal

Mit dem lang ersehnten Anbrechen des Frühlings am letzten Wochenende kann ich endlich auch wieder meiner Lust auf ein Bier im Freien nachgehen. In München gibt es dazu ja ein reichhaltiges Biergartenangebot, leider meist mit untrinkbaren Bieren. Die Gaststätten mit gutem Bier dagegen haben, wenn überhaupt, oft nur ein paar Tische am Straßenrand unter Sonnenschirmen statt Kastanien- oder Platanenbäumen. Da hilft dann nur ein Kompromiss. Dieser fällt jedoch leichter, wenn eine Entscheidungshilfe gegeben ist wie z.B. heute die Tageskarte vom Weissen Bräuhaus im Tal in München. Darauf habe ich heute nämlich seit längerer Zeit endlich mal wieder das gebratene Spanferkelhirn gesehen. So störte es mich nicht allzu sehr, dass der „Biergarten“ vor dem Eingang auf dem Gehsteig nicht gerade der gemütlichste Ort in München ist. Dieser Nachteil wird bei weitem wieder aufgewogen durch das hervorragende ur-bayerische Essen, und noch mehr durch die exzellenten Schneider Weißbiere, die es dazu gibt. Und nicht zuletzt ist ein großes Plus die zentrale Lage des „Schneider im Tal“, die ein recht buntes Publikum anzieht, mit dem man immer wieder mal zu interessanten Begegnungen und Gesprächen kommen kann. Heute stand jedoch das Essen im Mittelpunkt mit seiner richtigen Bier-Beilage.

Kristallweizen

Ich habe es mir inzwischen beim Schneider tatsächlich zur Gewohnheit gemacht, erst mal mit einem Kristallweizen zu beginnen. Das ist im Kontrast zu den typisch alt-bayerischen Hefeweizen angenehm spritzig, nicht so „fett“ cremig, sondern eher trocken mit einem exzellenten frischen zitronenartigen Duft vom Aromahopfen ausgestattet, gerade so als ob da ein Spritzer edler Zitronenlimonade drin wäre. Meine Kellnerin war in der Stunde zwischen Sieben und Acht Uhr abends sehr gut ausgelastet mit dem Schleppen der Speisen und Getränke, teilweise beides gleichzeitig bei einem Gang. Wie ich sie so beobachtete fiel mir natürlich, als sie es dabei hatte, mein bestelltes Kristallweizen sofort auf. Es wird nicht so oft bestellt – sehr zu Unrecht, wie ich meine. Sie hatte es in der Flasche dabei, zusammen mit einem leeren Weizenglas, in der linken Hand, mit der rechten Hand noch ein Tablett mit Sachen für andere Gäste. Fast schon zirkusreif artistisch sah das aus. Mit der ganzen Ladung lief sie auf das Abstellregal für Gläser und Geschirr zu, stellte „mein“ Kristallweizen und das Glas in der mittleren Ebene des Regals ab und schob das Tablett auf die obere Plattform. Sie verteilte dann zunächst die Sachen von dem Tablett, kehrte zurück zum Regal und schenkte noch dort das Kristall aus der Flasche in das Glas, welches sie mir dann freundlich servierte. Also: (Kristall)weizen aus der Flasche, von der Bedienung eingeschenkt und serviert. Soweit nichts neues, das ist in bayerischen Gasthäusern schon lange so üblich.

Heller Weizenbock

Zu meinem Hauptgang, dem Hirn, nach der vorangegangenen Brezensuppe und dem Erfrischungs-Kristall, habe ich mir eines meiner Lieblingsbiere bestellt: Schneiders „Meine Hopfenweisse“, auch „Tap 5“ genannt. Das war vielleicht etwas stark im Geschmack zum zarten Hirn, ein weiteres Kristall hätte rückblickend besser gepasst. Doch Lieblingsbier ist eben Lieblingsbier. Die Servierweise bei der Hopfenweissen ist eine etwas andere. Das muss – bzw. darf – der Gast nämlich selbst einschenken. Auch ich bekam die Flasche auf den Tisch gestellt und dazu ein Standard-Weizenglas, natürlich mit Schneider-Aufdruck. Eigentlich bevorzuge ich für die Hopfenweisse ja ein Rotweinglas. Warum und wie es dazu kam habe ich letztes Jahr in einem länglichen Artikel ausführlich beschrieben. Aber angesichts des geschäftigen Trubels im Freiluftbereich wollte ich meine Bedienung nicht mit diesem Verlangen belasten. Ich dachte mir eh, dass die Weingläser für Außen tabu sind, besonders wenn so reger Betrieb ist wie heute. Denn auch zu ruhigeren Zeiten im Inneren des Bräuhauses muss ich den Bedienungen immer gut zureden, wenn ich mein Rotweinglas für das Weissbier haben will. Ja manchmal muss ich sogar auf den Geschäftsführer Otmar Mutzenbach verweisen, dass er es war, der das Rotweinglas empfohlen hat. Regulär wird es immer in einem kleinen 0,33l Weizenglas im Aventinusdesign serviert, damit man auf jeden Fall mindestens ein mal nachschenken kann oder muss. Auch keine schlechte Lösung, aber für mich nur die zweitbeste.

Dunkler Weizenbock

Geschmeckt hat die Hopfenweisse trotzdem, und auch der Aventinus, den ich dann noch nahm. Den gibt es, wie ich immer erwähne, in München nur im Weissen Bräuhaus im Tal vom Fass, was gegenüber dem Aventinus aus der Flasche, der auch schon ein besonderes Geschmackserlebnis ist, noch mal eine Steigerung mit sich bringt. Vom Fass ausgeschenkt passt auch die Temperatur. Aus der Flasche aus dem Kühlschrank ist das Bier in anderen Gaststätten oft viel zu kalt, um all die tollen Weizenbockaromen ausreichend und ausgewogen zu entwickeln. Die Servierweise des Aventinus ergibt sich damit folglich als einfach aus dem Zapfhahn ins Glas, ein Glas in der speziellen von Schneider patentierten Aventinusglasform: Unten schlank und zylindrisch gerade mit oben auslaufender ballonartiger Öffnung. Optimal an die Eigenheiten des Aventinus angepasst, damit die Nase noch ins Glas passt.

Ab jetzt immer das richtige Glas

Tja, und während ich genüsslich meinen Aventinus schlürfe und um mich herum die in der mittlerweile eingebrochenen Dunkelheit und Nachtkühle sich langsam leerenden Tische betrachte, da sehe ich doch an einem Tisch eine Gruppe junger Gäste sitzen, von denen einer eine Weizenflasche mit einem Rotweinglas, ja richtig: Rotweinglas vor sich stehen hat. Ich spanne meine Augen an, und sowohl die Flasche, als auch insbesondere die Farbe des Bieres sehen höchstverdächtig nach Hopfenweisser aus! Das muss ein ausgesprochener Bierliebhaber und Schneider-Fan sein, denke ich mir. Und das in dem jungen Alter! Ich muss eh gleich zahlen und gehen. Da frag ich gleich bei meiner Bedienung nach. Diese muss das Glas ja serviert haben. Und als Antwort höre ich Erstaunliches: „Das ist eine Anweisung von den Chefs, dass das ab sofort immer mit diesem Glas serviert werden soll.“ „Vom Herrn Mutzenbach?“ frage ich. „Ja. Oder nein: vom Herrn Schneider selber“, verbessert die Bedienung. „Das wird jetzt immer so in der Kasse angezeigt, dass man ein Rotweinglas dazu servieren soll“. Da war ich nun wirklich sehr verwirrt und verwickelte meine Bedienung, die jetzt etwas mehr Ruhe hatte, in ein Gespräch, um der Sache weiter auf den Grund zu gehen. Ich frage auch nach, ob ich denn bei meiner Bestellung auch das Rotweinglas hätte bekommen sollen. Ja, eigentlich schon, meint sie. Aber weil halt so viel los war, hatte sie darauf verzichtet. Das hatte ich also richtig eingeschätzt. Ich versichere ihr aber, dass das Glas in der Tat das richtige wäre, und erzähle ihr auch, dass ich selbst auch vom Geschäftsführer darauf gebracht werden musste. Wir sind uns im weiteren allerdings darin einig, dass wohl viele der Gelegenheitsgäste das nicht in vollem Umfang zu schätzen wissen werden. Andererseits – ein Gelegenheitsgast wird auch nicht gleich die Hopfenweisse bestellen. Das wird schon eher ein bierinteressierter Genießer tun. So gesehen passt die Vorgabe der Geschäftsführung wieder. Es wird interessant sein, diese Entwicklung bei der Hopfenweissen im Weissen Bräuhaus im Tal weiter zu beobachten. Ich werde berichten …

Nachdem ich meine Zeche beglichen hatte, will ich noch beim Restaurantleiter mehr darüber erfahren. Aber der wäre zu dieser fortgeschrittenen Stunde schon nicht mehr verfügbar, meint meine Bedienung. Und auch Herr Mutzenbach war an diesem Tag nicht da gewesen. Vielleicht muss ich ja mal in Kelheim bei Georg Schneider VI. um eine Audienz zu diesem Thema ersuchen. Das wäre jetzt eigentlich DIE Gelegenheit ;-).

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

3 Kommentare

  1. Danke für den schönen Beitrag! Ich muß bald mal wieder zur Hopfenweise kommen…
    Gruß
    Oliverxt77

  2. Na Klasse, Montag, 09.04 Uhr und schon wieder Durst.

    Lars

  3. So, inzwischen war ich noch zwei mal im Weissen Bräuhaus, und tatsächlich: Jedes mal habe ich die Hopfenweisse anstandslos mit dem Rotweinglas serviert bekommen. So sieht das dann aus (klicken für großes Bild):


    So sieht die Schneider Hopfenweisse (TAP 5) mit Rotweinglas serviert aus

    Auch die Bedienung aus dem Artikel oben habe ich dabei noch mal getroffen. Sie sagte mir, dass anfangs die Gäste schon manchmal dumm geguckt haben, wenn sie das Glas hin stellte. Aber mittlerweile bekommt sie dafür immer öfter eine positive Rückmeldung.

    Na also: Geht doch! 🙂

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