Neuhauser Zoigl-Wochenende

Auch dieses Jahr wollte das Blog-Team gemeinsam zum Zoigln fahren. Wieder standen wir dabei vor demselben Dilemma: fahren wir dorthin, wo es so wundershön ist, nach Neuhaus und Windischeschenbach in der Oberpfalz (siehe auch unsere Auflüge 2010, 2011 und 2012) oder fahren wir einmal wohin, wo wir noch nicht (alle) waren? Auch in der Oberpfalz gäbe es da noch Zoigl-Orte (z.B. Falkenberg), aber es gibt auch noch das Flindern in Pegnitz und Kommunbrauer in Neuhaus an der Pegnitz. Fürs Flindern sind wir schon zu spät dran (findet von April bis Juni statt).  Aufgrund Ralfs Erfahrungen mussten wir sogar befürchten, für die Neuhauser Kommunen „zu spät“ drann zu sein, denn dort hört auch einer nach dem anderen auf, sich diese Mühe zu machen. Also beschlossen wir, dort im fränkischen Neuhaus anzufangen und dann weiter ins oberpfälzer Neuhaus zu fahren.

Ein freies Wochenende war schnell gefunden, und auch einige Freunde aus unserer Ayinger Zwickl-Tradition fanden sich, uns zu begleiten. So wurden schnell die Zimmer reserviert und die Züge ausgesucht – mit Bayern-Ticket und VGN ist so ein Ausflug in der Gruppe ja recht günstig zu haben. Wir trafen uns in Neuhaus/Pegnitz, bezogen unsere Zimmer in Finstermühle und spazierten in den Kernort. Überall fanden wir hier Spuren ehemaligen Bierbrauens:

Ein Schild der Falkenloch-Brauerei, von der Ralf 2009 noch das aktive Sudhaus besuchen konnte, in dem die Kommunbrauer brauten. Das Sudhaus wird seit kurzem auch nicht mehr benutzt. Amtliche Auflagen führten zu seiner Stilllegung im Jahr 2013.

Ein Schild am Braubrunnen, das an die Verleihung des Kommunbraurechts im 16. Jahrhundert erinnert.

Das Schild der Kaiser Bräu, die die Marke Veldensteiner mit der Burg drauf vermarktet, wo sich die Felsenkeller zum Lagern des Kommunbiers befinden.

Das Haus vom „Schaffer„, der Familie Döth, wo ralf 2009 den Neuhauser Zoigl kennengelernt hat.

Den Zoigl-Stern fanden wir schließlich am Haus der Familie Reindl, beim „Hombauer„.

Während einige unserer Gruppe erst noch das ehemalige Sudhaus anschauen gingen, versuchten zwei einen Platz in der am frühen Nachmittag bereits brechend vollen Wirtstube zu ergattern. Obwohl es wirklich keinen Platz mehr gab, machten die Zoiglgäste es möglich, dass wenigstens diese Zwei, und etwas später auch noch der ganze Rest der Gruppe unterkamen und ein Plätzchen auf dem Tisch fanden, um gelegentlich die Halbe abzustellen! Soviel herzliches Willkommen erlebt man eben nur beim Zoigl, Danke, liebe Leute!

Auch das Bier findet unser dickes Lob: märzenfarben mit ganz wenig Kohlensäure ist es sehr typisch. Auch der leicht säuerliche Geruch findet sich oft bei diesen Bieren. Uns gefällt der sehr weiche, geschmeidige Antrunk, der fruchtig-malzig den Gaumen füllt und fruchtig-hopfig abklingt. Ein sehr ausgewogenes Bier!

Und noch ein Lob bekommt die Hombauer Kommune: die Brotzeit! Ahhhh, ohhhhh, hier muss man unbedingt extrem hungrig herkommen!

Im Laufe eines sehr sehr unterhaltsamen Abends erfahren wir viel über die Gäste, ihre Motivation hierher zu kommen. Und auch über die Kommune an sich erhalten wir neue Informationen. Die „Sportlerkommune“ z.B: Die Brauer der Veldensteiner/Kaiserbräu brauen nämlich auch einen Zoigl, den sie komplett in der örtlichen Brauerei fertigstellen. Ausgeschenkt wird dann durch den Sport- bzw. Fussballverein, und zwar zwei mal im Jahr vom 1. August an sieben Wochen lang und ab dem 1./2. Weihnachtsfeiertag bis zum 7. Januar.

Wo der Neuhaus/Pegnitzer Zoigl jetzt gebraut wird, nachdem ja das Falkenloch-Sudhaus nicht mehr benutzt werden kann/darf, erfahren wir ebenfalls: bei der Bürgerbräu in Hersbruck. Dort wird die Würze hergestellt. Die Hefegabe und der Ausbau des Zoigl erfolgt nach wie vor durch die Neuhauser Kommunen im Felsenkeller unter der Burg. Diese Bierpflege macht heute fast ausschließlich Paul Reindl, der auch beim Döth-Zoigl mithilft.

Die Einheimischen scheinen wirklich froh, dass wir ihre Auskünfte so bereitwillig aufnehmen, um sie hier weitergeben zu können. Leider ist da auch Trauriges dabei. Wir hören, dass die Kommune Benaburger/Prunhuber seit März 2013 geschlossen ist, wegen eines Todesfalls.

Sehr schade, dass hier in Neuhaus an der Pegnitz einige Kommunen aufgegeben haben, denn die Nachfrage ist da, die Stimmung ist toll und Brotzeit und Bier sind über jeden Zweifel erhaben!

Am nächsten Tag fuhren wir weiter nach Windischeschenbach, bezogen dort Quartier und spazierten hoch nach Neuhaus, nicht ohne uns unterwegs zu vergewissern, wer heute hier den Zoigl-Stern aushängen hat. Zu Mittag kehrten wir beim „Käck’n“ ein, dessen Brotzeit man auf keinen Fall verpassen darf. Und das Bier sowieso nicht! Uns kommt es ein bischen dunkler vor als früher, golden matt-glänzend und leicht trüb. Unverändert fruchtig-hopfig ist der volle Duft, weniger nach Citrus als nach Aprikose. Frisch und süffig, fruchtig im Antrunk, mit knackiger Rezenz und herb-würzigem kurzen Abgang, bei dem ein reiner Hopfengeschmack noch nachhallt. Einfach wieder spitze!

Nachdem wir uns noch mit geräuchertem und eingedosten Mitbringseln versorgt haben, brechen wir aber trotzdem auf, denn es lockt uns noch ein Unbekannter: Der Schafferhof schenkt heut‘ auch aus. Der Gebäudekomplex ist riesig, über mehrere Etagen kann man in grossen und kleinen Kammern und Nischen sitzen – wenn man denn einen Platz finden würde! Aus einigen Räumen tönt live-Musik, hier spielen tatsächlich einige Mitglieder der sagenhaften Alt-Neuhauser Feuerwehrkappelle. Wir finden schließlich ein Plätzchen und bald stehen auch die leicht kupfern glänzenden Gläser vor uns. Die Nasen schnuppern leicht säuerliche Noten nach sehr reifen Früchten, Birne und ein bischen Waldfrucht. Im Antrunk ist das Zoigl weich und sehr getreidig, mit etwas säuerlich bizzelnder Rezenz. Es hat einen ultra-kurzen Abgang mit einem Hauch von Bitterkeit und nochmaliger Malzfruchtigkeit. Das braucht gleich den nächsten Schluck! Das ist ein untergäriger Zoigl, erfahren wir, daher auch diese leichten säuerlichen Noten. Gut – der traditionelle „echte Zoigl vom Kommunbrauer“ ist immer untergärig. Umso erstaunlicher die Fruchtigkeit des Schafferhof-Zoigls. Das zeigt uns wieder mal sehr schön die riesige Bandbreite an tollen Aromen, die die Zoiglbrauer hier erreichen!

Den Abend verbringen wir dann in den Wolfram-Stub’n, wo die Motorradfreunde an diesem Wochenende Zoigl ausschenken. Es ist sehr voll, wir beginnen ein Bier im Stehen und werden gleich an einen Tisch gebeten, wo ein paar gehen und der Rest für uns zusammen ruckt. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt, und das Bier auch hier wieder Spitzenklasse: wieder ein wenig rötlich-gold und leicht trüb, mit einem zarten Fruchtaroma (Erdbeeren, Heidelbeeren und Sultaninen fallen uns dazu ein). Der Antrunk ist sehr schwebend, in der Rezenz fühlt es sich auch sehr zart-bizzlig an, und ein leicht verduftender Abgang ist auch ausschließlich fruchtig, etwa nach Maracuja. Wir müssen sicher nicht extra erwähnen, dass auch hier die Brotzeit in nix dem tollen Bier nachsteht…

Am Abreisetag halten wir uns mit dem Frühstück zurück, um nach einem Minispaziergang noch beim Gloser einkehren zu können. Gerade noch rechtzeitig, denn auch hier füllt sich schnell die Gaststube. Unsere kleine Mittagsmahlzeit läßt auch hier keine Kritik zu, aber der Hammer ist wieder mal der Zoigl: in einer dunklen seidenmatten Bernsteinfarbe mit viel stabilem Schaum schon fürs Auge eine Pracht. Die Nase bekommt einen diffizilen und vielschichtigen Kräuterduft, der erst zart beginnt und sich dann vehemnt wirbelnd entfaltet. Und so geht es auch dem Gaumen: zart-fruchtiger Beginn, gefolgt von wirbelnder Kräuterwürzigkeit, dann vehement malzfruchtig füllt es leicht bizzlig den Mundraum und liefert einen nach und nach trockener werdenden Abgang mit einem überzeugenden Hopfendoldenaroma. Bestens gelungen, Moritz Popp!

Fazit: Alle Zoigl sind ein Traum von einem Biergenuß! Alle Wirtsstuben bieten dazu genauso genußreiche Brotzeiten. Und überall ist eine tolle Stimmung durch Menschen, die miteinander ihre Freude daran teilen. Wir werden das nächste mal unweigerlich dasselbe Entscheidungs-Dilemma haben: zu wem gehen wir zuerst?

 

 

Über benhur

Ich stamme aus dem schönen Altmühltal, wo auch mein Lieblingsbier herstammt (das Wettelsheimer Strauss) und meine Lieblingssorte Märzen verbreitet ist. Mittel- und Centralfranken (Nürnberg) ist biertechnisch auch mein Schwerpunkt, die Zeit im Münchner "Exil" hat aber auch ihre Spuren hinterlassen.

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