Eine belgische Intensiv-Bierprobe

Benhur und Oliver haben schon von einigen Belgischen Bieren berichtet, darunter sogar direkt in Belgien getrunkene (siehe Bierland Belgien oder auch Belgien: Was sonst noch so getrunken wurde). Heute bin endlich auch ich in den Genuss belgischer Biere gekommen, und zwar in einen derart intensiven Genuss, dass ich etwas darüber schreiben kann und muss. Die Sache ist so zustande gekommen: Ein guter Freund hat zur Zeit öfter in Luxemburg zu tun, was von Südbayern aus gesehen genau vor Belgien liegt. Weil er mich kennt, und weil es sie in Luxemburg sehr gut zu kaufen gibt, hat er letztes Mal einen kleinen Strauß belgischer Biere mitgebracht, neun an der Zahl. Das sah nach großer Vielfalt aus, und war es natürlich auch. Bei näherem Betrachten fiel uns jedoch auf, dass gleich mehrere Biere gebraut oder hergestellt waren „voor ‚Bieren Den Haene'“, was offenbar ein Händler für Biere aus unterschiedlichen Quellen scheint. Dazu dann mehr bei den Einzelbieren. Im weiteren fanden wir zwei Mal den Namen „InBev“ bzw. „AB-InBev“. Ein scheinbar unabhängig gebrautes Bier war noch dabei. Und schließlich zwei als „Authentic Trappist Product“ bezeichnete Trappistenbiere. In den Alkoholstärken war alles geboten von 4,4% bis 11,3% vol., sodass es gut war, dass wir uns zu zweit über die neun Spezialitäten her machen konnten.

Vlissegems blondje

Das Flaschenetikett sagt

Dit bier werd speciaal afgevuld voor „Geestig Vlissegem“ door
Bieren den Haene
8420 Wenduine
0485626857

Demnach wäre „Bieren den Haene“ die Brauerei. Nach ein wenig Googeln scheint es sich bei „Geestig Vlissegem“ um die Bezeichnung für eine unterhaltsame Wanderroute im, durch oder um den Ort Vlissegem in Belgien zu handeln: Suchtreffer (click)

Verkostungsnotiz

Alkoholgehalt: 4,4 % vol.

Es ist ein sog. „leichtes Saison“. Hefefruchtiger Duft, frische Säure, wirkt kaltgehopft, was auch tatsächlich auf der Flasche steht: „koud gehopt“. Dank der nur 4,4% erfrischend, dafür wenig vollmundig, sehr leicht. Ein Saisonbier eben, gut ausbalanciert zwischen Hefe- und Hopfennase. Durch seine Leichtigkeit und Frische wie gemacht für eine Wanderung. Jetzt beim Schreiben verstehe ich endlich auch das Bilderrätsel auf dem Vorderetikett, das zu fotografieren ich am Verkostungsabend über dem Grübeln darüber ganz vergessen hatte.

Haanse Witte

Das ist ein Witbier,

Gebrouwen door
Brouwerij Strubbe, Ichtegem voor
Bieren den Haene, Tel. 0485 62 68 57 – www.BierenDenHaene.Be

Aha! Die lange Nummer unter der Adresse vom Vlissegem oben war also die Telefonnummer von Bieren Den Haene. Nett.

Verkostungsnotiz

Alkoholgehalt: 5,5% vol.

Witbier! Mit Zuckerzusatz. Ganz wenig Restsüße, ganz leicht herb, ganz leicht „kratzig“. Sehr leicht und überhaupt nicht vollmundig. Sind Orange und Koriander drin? Es steht nichts auf der Flasche, nur „Water, Gerst, Tarwe, Hop, Suiker. BEVAT GERSTEMOUT.“ Also Wasser, Gerste, Weizen, Hopfen und Zucker. Enthält Gerstenmalz. Gerste und Weizen demnach als Rohfrucht? Sehr rätselhaft, die Flasche. Der Geruch ist jedenfalls auch hefig schwefelig, und würzig, als ob Koriander drin wäre. Beschwören könnte ich es nicht.

Wir machen an diesem Abend im Übrigen neben der Bierverkostung auch einen kleinen „Belgisch“- bzw. Flämisch- und Französischkurs. Bei dieser Flasche fragten wir uns, was denn das Wort „Ambachtelijk“ bedeutet, und erhalten aus dem Inhaltsverzeichnis des Netzes der Netze – ja, dem Google eben – die Information, dass das „handwerklich“ heißt.

Trammelantje

Das ist ein „Bìere Ambrée“ – ein „Bernsteinbier“, oder „bernsteinfarbenes Bier“.

Gebrouwen door
Brouwerij Strubbe, Ichtegem voor
Bieren den Haene, Tel 0485 …

Verkostungsnotiz

Alkoholgehalt: 6,5% vol.

Vollmundig malzig, honigartige Aromen. Eine Gewürzmischung wie aus Ingwer und Orange steigt in die Nase. Optisch beachtenswert ist der deutlich dunkle Schaum. Die Würzmischung entwickelt sogar etwas leicht pfeffriges.

Die gelisteten Getreidesorten und Malze sind: Weizen und Gerste. Der Hopfen kommt aus Poperinge, ist also ein belgischer. Schließlich steht auch hier wieder der Zucker drauf . Zur Hefe steht nur geschrieben, dass es sich um „Nagisting op de Fles“ handelt – Nachgärung in der Flasche.

Jus De Mer – Blond

Dieser Biertyp wäre dann wohl ein „Blond“, oder „Belgisches Blond“. Es steht nicht mehr dazu auf der Flasche. Wohl aber die Herkunft:

Gebrouwen en gebotteld door:
Brouwerij Jus de Mer
Westendelaan 142a, 8430 Middelkerke – www.jusdemer.be

Verkostungsnotiz

Alkoholgehalt: 7,2% vol.

Jetzt, wo wir uns an die Zuckerzugabe gewöhnt hätten, ist hier mal wieder keiner drin. Dafür aber Mais und Kräuter. Das Blond riecht wie Honig. Nicht Waldhonig, leichter; nicht Blütenhonig, schwerer. Es läuft ins Glas und turbuliert darin wie Öl. Dazu stimmig ist das geschmeidige Mundgefühl. Voll-voll-mundig malzig. Als Bitterwert sind 29 IBU angegeben. Die schmeckt man aber nicht. Nur im Nachtrunk wird es deutlich herb, bleibt dabei aber friedlich.

Im Gedächtnis bleiben die Besonderheiten: Mais und Kräuter als Zutaten.

Julius 54 BC

Es ist ein „Strong Blond Belgian Beer“. Auf dem Hintergrund des Flaschenetiketts ist ein römischer Feldherr zu erkennen, ganz klar besagter Julius, der Caesar, wie man ihn auch aus den Asterix-Heften kennt. Dazu passt das lateinische Zitat aus Caesars berühmtem Werk „De bello Gallico“:

Horum omnium fortissimi sunt Belgae

(Die tapfersten von diesen Völkern sind die Belgier)

Da muss ich doch an meine Schulzeit und den „geliebten“ Lateinunterricht denken 😉 . Und weiter schießt es mir durch den Kopf, dass unter den Biergenießern doch diejenigen die tapfersten sein könnten, welche gleich mehrere so kräftige belgische Exemplare an nur einem Abend verkosten. Naja, lassen wir das lieber.

Kaum ist das alles gedacht und gesagt – Schwupps – schon klingt das wie ein tolles Bier. Da habe ich mich ordentlich vom Marketingstrategen vereinnahmen lassen . Erstaunlich! Noch kein Wort über das eigentliche Bier. Den Blick jetzt also wieder zurück auf die Tatsachen, welche winzigst klein auf dem Rücketikett zu finden sind. Und da ist allerhand geboten. Die Geschmacksbeschreibung lasse ich mal aus, kann man eh kaum lesen. Sehr interessant ist die Herkunftsangabe:

Gebrouwen door
InBev Belgium bvba/sprl
Stoopkensstraat 46,
B-3320 Hoegaarden, België

Und auch die Liste der „Ingrediënten“ ist nicht ohne: „water, gerstenmout, glucosesiroop, hop, gist“. Oh Gott! Glukosesirup! – Tapfer, tapfer! sag ich da nur.

Und dann ist da, fast nur mit einer Lupe erkennbar, noch diese Webadresse angegeben: www.tapintoyourbeer.com. Ich hab den Link ganz unbedarft in die Adresszeile meines Browsers eingegeben und gelangte auf eine Seite, auf welcher ganz oben steht: ABInBev. Darunter dann der Satz „Tap into …“ so wie der Name des Links, was wohl soviel heißt wie „Tippen sie auf Ihr Bier.“ Denn in der Folge kann man ein Land, eine Sprache und sein Geburtsdatum auswählen, zur Prüfung, ob man in dem jeweiligen Land schon das Reifealter für Alkoholgenuss erreicht hat. Nun kann man sich durch alle ABInBev-Köstlichkeiten stöbern, die in dem jeweiligen Land verfügbar sind, und deren Nährwertangaben studieren. Ich war richtig geschockt! „Saddam und Camorra“ tun sich da auf, wenn man sieht was alles schon in der Hand dieses Konzerns ist.

Für Deutschland lese ich alphabetisch sortiert: 12 Sorten von Beck’s, Corona, 4 Sorten Diebels, 10 Sorten Franziskaner, 5 Sorten Haake-Beck, 5 Hasseröder, 2 (belgische) Leffe , 9 Sachen von Löwenbräu, 2 Modelo, 2 Presidente, 5 Sorten Spaten, inklusive Optimator und Oktoberfestbier, Tennent’s Super und am Ende auch noch Vitamalz. Na sauber, sag i.

Und für Belgien? Ich empfehle dem Leser, das mal selber durchzuspielen (Link oben). Man kommt mit der Auswahl Land „Belgium“ und Sprache „German“ gut hinein. Und dann mal nur auf Hoegaarden und Leffe schauen. Oder auch gleich – tapfer! – auf alles. Mir ist dabei richtig Angst geworden.

Nach diesem kleinen Exkurs über den globalisierten Einheitskonzern wieder zurück zum Bier.

Verkostungsnotiz

Caesars Alkoholgehalt: 8,5% vol.

Wir sind beim Julius 54 BC, nur zur Erinnerung. Es riecht – wie auf der Flasche vom Konzern vorbeschrieben, in der Tat wie Rum, Vanille und Marzipan. Und auf jeden Fall deutlich alkoholisch. Ein alkoholhaltiger Kuchenteig oder ein leichtflüssiger Malzkaramellpudding ist das. Die Süße dominiert klar. Kaum ein Bittereindruck. Über dem Teig schwebt eine dichte Malzwolke. Das ist wie ein süßer Flüssigkuchen aus Gerstenmehl. Und der viele Alkohol in der Nase erweckt fast den Verdacht, zu den Zutaten gehöre auch reiner Wodka. Gut, ist wahrscheinlich nicht drin. Der Glukosesirup soll da mal an Grausamkeit reichen.

De Verboden Vrucht

Das wird – von ABInBev wieder – als „bière sur levure“, also ein „Hefebier“ bezeichnet.

Gebrouwen door …
(siehe beim Julius)

Scheinbar ein ehemaliger Hoegaarden Klassiker. In jedem Fall ist das Etikettenbild sehr sehenswert: Es erinnert an eine ebenfalls klassische Geschichte, nur irgendwie andersrum ;-).

Verkostungsnotiz

Alkoholgehalt: 8,5% vol.

Besondere Zutat hier sind „kruiden“. Das sind nicht näher benannte Kräuter. Bananig, nach Schokobanane, ist die Nase. Vollmundig im Trunk. Malzig-fruchtig-herber Abgang. Hier ist irgendwie alles drin. Von der Schokobanane also, die mit der schwarzen Schokolade, und Lakritz bis zum karamellmalzigen Abgang. Die 8,5% werden von der fetten fruchtwürzigen Aromawolke komplett überdeckt.

Strandjuttersbier – Mong de Vos

Dieser Biertyp ist ein „Bruine Tripel“ – also was extra starkes dunkles (braunes).

Gebrouwen door
Brouwerij Strubbe, …
Bieren den Haene …
(siehe Haanse Witte und Trammelantje oben)

„Mong de Vos“ scheint eine Figur aus einer Legende zu sein. Er war demnach wohl ein Strandgutsammler, oder ein Strandguträuber, der am Strand als Hexer auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Das Flaschenetikett ziert ein Foto vom Kopf einer Statue der Legendenfigur, welche am Strand zwischen Ostende und Seebrügge steht.

Die Zutatenliste: „Ziver Water, Gerst, Mout, Gist, Hop, Suiker, Kruiden“ – Reines Wasser, Gerste, Malz, Hefe, Hopfen, Zucker, Kräuter.

Verkostungsnotiz

Alkoholgehalt: 9,2% vol.

Dunkle Farbe, dunkler Schaum. Extrem alkoholische Nase. Das „Bruine Tripel“ ist eben ein „Tripel“. Besondere Zutaten sind hier wieder Kräuter und der inzwischen schon fast geliebte Zucker. Das Bier trinkt sich vollmalzig, bleibt dabei jedoch recht geradlinig eindimensional. In Erinnerung bleiben die schöne Farbe, der viele Alkohol und ein reines Malzaroma. Doch halt! Wie war das mit dem Malz? „Gerste“ und „Malz“ sind getrennt genannt. Also Rohfrucht?

Trappistes Rochefort – „6“ & „10“

Die beiden echten „Trappistenbiere“ haben wir uns zum Schluss aufgehoben, aber dennoch „tapfer“ verkostet. Und das gleich parallel was sich bei diesen Geschwisterbieren einfach aufdrängte. Außer den Bieren mit der Nummer „6“ und der „10“ gäbe es prinzipiell noch eine Nummer „8“. Diese läge im Alkoholgehalt mit knapp über 9% vol. in der Mitte zwischen unseren beiden Exemplaren.

Als echte Trappistenbiere wurden sie natürlich von echten Trappistenmöchen in einem echten Trappistenkloster hergestellt, nämlich in

Abbaye N.-D. DE Saint-Remy
5580 Rochefort
Belgium

Und als ob wir in den Inhaltsangaben mit lustigen Zutaten nicht schon genug gesehen hätten, kommt hier zum Zucker, der natürlich auch wieder dabei ist, noch etwas total abgefahrenes dazu: Weizenstärke! Wobei – die ist mir tausend Mal lieber als der Glukosesirup der ABInBev-Biere. Brau- und gärtechnisch sind ja Zucker, und nun eben auch die Weizenstärke (ist mir echt noch nie begegnet bisher), essenziell für die Stärke und den Charakter dieser legendären belgischen Trappistenbiere.

Alkoholgehalt: 7,5% vol. (Bier 6) bzw. 11,3% vol. (Bier 10)

(Parallele) Verkostungsnotiz

Bier 6Bier 10
Alkoholgehhalt7,5% vol11,3% vol
FarbeDunkelbernsteinDunkelrot
Mundgefühlmalzfruchtig, lieblichsprittig, rein alkoholisch lösungsmittelähnlich
Gesamteindruckkeine extremen Aromen, stattdessen eher in der "Mitte der Geschmäcker"; insgesamt sehr gefälligeinfach nur stark, es schmeckt gar nicht mehr typisch nach Bier

Zweifelsohne sind die beiden Rocheforts großartige Biere. Doch im Vergleich zu denen, die wir davor probiert hatten, zeigten sie recht wenig Ecken und Kanten. Mainstream waren sie schon fast. Ich habe mir notiert: Zucker (und Weizenstärke) macht das Bier zwar stark, gibt aber nicht mehr Geschmack.

Erkenntnis

Wie benhur und oliver schon vor mir hier gezeigt haben: Belgien ist ein aufregendes Bierland mit einer Riesenvielfalt. Neun Biere konnten wir heute vergleichen. Von kleinen handwerklichen („ambachtelijk“) Brauereien über die berühmte alte Trappistenklosterbrauerei bis zum globalen Konzern war alles vertreten. Und selbst die Konzernbiere waren recht beeindruckend. Doch was ich vor allem aus diesem Verkostungsabend mitnehme ist die Erkenntnis, dass ich keine Angst haben muss vor „fremden“ Dingen im Bier wie Zucker, Mais und Nicht-Hopfen-Kräutern. Nur der Glukosesirup, da macht es bei mir: Brrrrrr!

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

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