Alle Jahre wieder kommt es erbarmungslos auf München nieder: Das Oktoberfest. In früheren Jahren ging ich wie so viele Münchner mit der Firma auf die „Wiesn“. Und ein oder zwei mal sogar freiwillig ganz privat. Lange ist das her. Damals gab es noch kein Facebook oder Instagram, und auch nicht unser Blog. So ist das meiste, was ich aus der Zeit von vor zehn Jahren über das Oktoberfest berichten kann, nur in meiner Erinnerung. Vor allem eben auch die Biere.
Im Grunde kann ich über die alte Zeit nur sagen, dass es schon immer eine Mordsgaudi war auf der Wiesn, dass das Bier sich gut und viel trinken ließ, und dass es schon irgendwie mächtiger war, das Wiesnbier. Geschmacklich? Nun, da hab ich damals noch nicht so sehr drauf geachtet. Das Oktoberfestbier war vollmundig, hätte ich gesagt. DAS Oktoberfestbier? Es gibt doch mehrere verschiedene davon. Irgendwie waren sie alle gleich. Bis auf eines. Nein, nicht das Augustiner. Das hab ich damals gar nicht genossen, weil das Augustiner Festzelt schon immer beliebt und daher voll war. Das Spaten hatte es mir in der Zeit um die Jahrtausendwende angetan: Nicht ganz so vollmundig, dafür mit kräuterig hopfigem Aroma, schimmert es mir von damals nach. In der Ochsenbraterei war das. Aber vielleicht unterstützen auch diese beiden Tatsachen die Erinnerung: Erstens, dass ich des schon damals raren Platzangebots wegen an einem Wiesnsonntag zwei Stunden lang mit trockenen Ohren im Zelt saß, ohne die Musik, die erst Punkt Zwölf begann. Und zweitens, dass mir später, als das Zelt dann brechend voll war, eine gute dreiviertel Maß über die Hose geschüttet wurde. Der Verursacher der Dusche war jedoch so anständig, mir eine neue Maß zukommen zu lassen. Das blieb also ziemlich positiv im Kopf.
Wie dem auch sei – viele Gedanken habe ich mir im Allgemeinen nicht gemacht über die Oktoberfestbiere. Das änderte sich erst, seit ich Kontakt zu Brauern der Augustiner Brauerei bekam. Durch sie lernte ich so manches über das, was deren Bier zu seinem heutigen Kultstatus verholfen hat. Ich möchte jetzt aber kein Loblied „Augustiner, Augustiner …“ singen. Das hab ich hier schon oft genug getan. Vielmehr ist es so, dass mich heuer Anfang September einer der Augustiner Brauer angesprochen hatte, ob ich deren Wiesnbier den schon verkostet hätte. Das musste ich verlegen verneinen, und habe es mir gleich auf die Fahne geschrieben, das baldmöglichst nachzuholen. Weil es auf dem original Oktoberfest aber immer so zugeht, und eine Bierverkostung in Ruhe, auf jeden Fall mit Konzentration durchgeführt werden will, bin ich zum Münchner „Bier & Oktoberfest Museum“ gegangen, in das dazu gehörende „Museumsstüberl“.
Das Haus gehört der Augustiner Brauerei, und irgendwie wirkt darin der „Verein Münchener Brauereien e.V.“ mit. So ist es während des Oktoberfests im Museumsstüberl möglich, eine Verkostung aller sechs Oktoberfestbiere zu bekommen. In einem Probierset, das sind sechs Probiergläser mit je 0,1 l Oktoberfestbier der sechs Brauereimarken. Man muss ja „Marken“ sagen, nicht „Brauereien“, denn es sind ja nur diese vier (in alphabetischer Sortierung der jeweils erstgenannten Marke):
- Augustiner Bräu aus dem Hause Haberland-Wagner
- Hacker-Pschorr und Paulaner aus dem Hause Schörghuber
- Hofbräu aus dem Hause „Bayerischer Staat“
- Löwenbräu und Spaten aus dem Hause InBev
Ich bekam also von jeder dieser Marken eine zehntel Maß serviert. Dazu einen praktischen A3 Verkostungsbogen als Unterlage, auf dem ich gleich meine Notizen machen konnte. Den Bogen kannte ich schon von einer früheren Starkbierprobe im Museum (ich hatte berichtet). Das Licht im Stüberl ist sehr auf „historisch“ getrimmt, oder „romantisch“. Wenig davon eben. Für die Verkostung war genau das aber gar nicht schlecht. So wurde ich nicht durch die Farbe der Biere beeinflusst, im Sinne von dunkler gleich malziger gleich vollmundiger, in dieser Art. Wenig Licht also. Und auch wenig Bier! Eine echte Blindverkostung war es nicht. Ich bekam die Gläser mit dem Hinweis hingestellt, dass sie von Nr. 1 bis 6 in der alphabetischen Reihenfolge der o.g. Marken sortiert sind.
Verkostungsnotizen (jeweils ohne Farbbeschreibung):
Nr. 1 (Augustiner)
Geruch: Nach alkoholischer Gärung. Untergärige, leicht schweflige Hefepilznote.
Geschmack: Hoch verarbeitet, d.h. kein direkter Malzgeruch mehr, vornehm zurückhaltende und doch deutliche Stärke, prickelnd malzig, sanft und kräftig zugleich, süßlich edelherb im Nachtrunk.
Nr. 2 (Hacker-Pschorr)
Geruch: Frisch röstig malzig, wie in einer Semmelbäckerei.
Geschmack: Durchgängig malzbetont, wie frisch aus der Malzmühle beim Hausbrauen, lässt kaum Platz für andere, etwa hopfige Düfte, bleibt selbst im Nachtrunk viel stärker malzig als hopfig.
Nr. 3 (Hofbräu Müchen)
Geruch: Fruchtig blumig, mit „tschechischem“ Einschlag.
Geschmack: Anfangs ein wenig wie nach Orangenschalen, herb malzig hin und her wirbelnd in der Mitte, lang anhaftend herb belegt im Nachtrunk.
Nr. 4 (Löwenbräu München)
Geruch: Besonders fein röstig malzig (so habe ich das notiert, ja!)
Geschmack: Malzfruchtiger Beginn. Im Haupttrunk bereits ein deutlich herber Einschlag, bleibt lange herb bis zum vollen Ausbau der Bittere im Nachgang. Regt sofort zum nächsten Schluck an, der wieder einen weiten Bogen von malzfruchtig bis deutlich hopfenherb aufspannt. Ich sehe, wie sich die Dominosteine vorne zum Umfallen aneinandereihen und von hinten her wieder selbst aufrichten. Achtung: Teufelskreis!
Nr. 5 (Paulaner)
Geruch: Schwach, indifferent bierig.
Geschmack: Mehlig malzig, eingestaubte Trockenfrüchte, wirkt wirr, irgendwie unfertig.
Nr. 6 (Spaten)
Geruch: Deutlich blumig, dafür kaum malzig (hier mag ich von früher voreingenommen sein, bin mir aber sicher, dass ich das auch heute so wahrnehme).
Geschmack: Fruchtiger Anfang, deutlich herbes sehr lang andauerndes Ende. Ich notiere: „Löwenbräu light“.
Persönliches Ergebnis
Tja, mehr konnte ich aus den 0,1l jeweils nicht heraus holen. Zu schnell verbrauchen sie sich. Es ist halt immer ein Kompromiss: auf der Wiesn sechs Biere verkosten, dann sind es sechs Maß. Das wäre jenseits von Gut und Böse, geschweige denn sich hinterher noch an irgendwas erinnern. Hier im Stüberl 0,6 l, etwas mehr als eine Halbe, da bleibt man noch halbwegs bei Sinnen, dringt jedoch nur bedingt in die Tiefe. Vielleicht muss ich halt einfach doch mehr das sensorische Trinken üben als bisher meist nur das genüssliche.
Immerhin gelang es mir, diese Biere, Flaschenbiere wohlgemerkt, in eine Rangfolge meines persönlichen Geschmacks an diesem Abend zu bringen, die da lautet: Augustiner knapp vor Löwenbräu. Das Augustiner wegen seiner hohen Ausgereiftheit und eleganten Stärke, das Löwenbräu wegen seiner Spannweite der bierigen Grundeigenschaften. Im Mittelfeld das Spaten und das Hacker-Pschorr. Das erste wegen seiner ausgeprägten Hopfigkeit, das zweite wegen seines deutlichen und frischen Malzcharakters. Schlusslichter bilden Hofbräu und Paulaner. Hofbräu vor Paulaner, weil es doch noch etwas Charakter hat. Das Paulaner muss ich an diesem Abend an das Ende stellen. Es war einfach zu langweilig für das Fest der Feste in München.
Analytische Werte
Zum Schluss möchte ich meinen naturgemäß sehr persönlich geprägten Ausführungen noch die analytischen Werte der Biere hinzufügen. Diese bekommt man im Museumsstüberl als besonderen Service auf einem A4 Bogen wie einen Beipackzettel überreicht. Er enthält auch sensorische Angaben für Farbe („Kräftig Bronzefarben“: Hacker-Pschorr), Aroma („Rein und frisch im Antrunk, unterlegt mit feinen Estern und einer Floralen Hopfennote“: Spaten), Körper („Abgerundet und harmonisch vollmundig“: Augustiner), Bittere und Abgang („Deutliche Hopfennote im Abtrunk“; Löwenbräu). Teilweise erinnern mich die Angaben auch tatsächlich an das, was ich oben geschrieben habe. Total anders sind sie nirgends. Vom Verein aller Brauereien (oder Marken) kommend sind sie naturgemäß allesamt neutral bis positiv. Ein sehr fairer Bogen würde ich sagen. Geschmack ist subjektiv. Deshalb möchte ich gerne mit dem Zitat der nüchternen objektiven Analysewerte schließen:
Oktoberfestbiere 2018 - Analytischer Vergleich
Augustiner | Hacker-Pschorr | Hofbräu | Löwenbräu | Paulaner | Spaten | |
---|---|---|---|---|---|---|
Stammwürze (%) | 13,7 | 13,7 | 13,7 | 13,8 | 13,6 | 13,7 |
Alkohol (vv%) | 6,3 | 6,0 | 6,1 | 6,0 | 6,0 | 5,9 |
Farbe (EBC) | 6,8 | 12 | 8-8,5 | 7,5 | 9 | 6,5 |
Bittere (EBU) | 18 | 25 | 24 | 26 | 21 | 24 |
Sau guad!
Schade, dass es das diesjährige Oktoberfestbier von Giesinger Bräu („Schürzenjäger“ – https://www.baupause.de/detail/brauen-aus-leidenschaft-der-schuerzenjaeger-5525/) nicht in die Aufstellung geschafft hat.
Mit seiner dunklen Farbe und Hopfennote unterscheidet es sich deutlich von den Oktoberfestbieren der Großbrauereien.