USA: Bier Trinken an der Wall Street

Ich hatte meinen USA-Urlaub ursprünglich so geplant, dass ich ihn mit ein paar Tagen in New York City ausklingen lassen wollte. Es zeigte sich aber, dass es im Januar und Februar in Südkalifornien doch deutlich wärmer ist als in N.Y., d.h. tagsüber um die 20°C statt zapfiger Minusgrade. Außerdem habe ich in San Diego County weit mehr interessante – und gute! – Microbreweries gefunden, als sich in vier Wochen besuchen lassen würden. So nahm ich also am Tag vor meinem Rückflug nach Europa einen der sog. „red eye“ Flüge, mit dem ich um Fünf Uhr morgens im frostigen New York aufgeschlagen bin. Der Weiterflug war erst um 4:40pm. Elf Stunden Zeit also, die irgendwie verbracht werden wollten.

Im Flieger saß per Zufall die Tochter eines Amerikaners, den ich beim Treffen eines Modellbahnclubs kennen gelernt hatte, mit ihren beiden Kindern. Bei der früh-morgendlichen Verabschiedung am Flughafen gab sie mir den Tipp, ich könne doch einen Taxifahrer befragen, was ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit unternehmen bzw. ansehen könne. Zu dieser frühen Stunde war ich allerdings noch recht bedämmert, und der Flughafen war bis auf wenige Angestellte und ein paar vor sich hin dösende Reisende ziemlich verlassen. Es war zudem ja noch stockfinster. So irrte ich also planlos umher, bis ich einen Plan des New Yorker Subway-Netzes fand. Darauf entdeckte ich, dass Manhattan und der Flughafen JFK gar nicht weit auseinander liegen. Und in Manhattan ist genau das, was ich vor meiner Reise schon im Sinn gehabt hatte, und was mir die Ausgangsidee in den Kopf gesetzt hatte, nach N.Y. zu fliegen: Das World Trade Center Gelände „Ground Zero“ mit einer gleichnamigen U-Bahn-Haltestelle („WTC“, nicht das andere Wort). Dieses anzusehen sollte damit mein Plan sein. Jetzt musste ich nur noch meinen Rucksack los werden. Am Schalter von Airfrance ging nicht. Der machte erst nach Zwölf auf. Also Gepäckaufbewahrung. Die sollte immerhin schon um Sieben öffnen, war dort angeschrieben. In der Zwischenzeit konnte ich mich nach den Fahrzeiten und -preisen der U-Bahn umsehen. Am liebsten hätte ich jemanden vom „Welcome Center“, sowas wie die Touristenformation, befragt, aber die Schalter waren wie alle anderen noch nicht besetzt. Ein Flughafenwärter sah, wie ich dort unbeholfen herumtapste, und bot mir seine Hilfe an. Ich nannte ihm mein Vorhaben, und er sagte mir mit welchem Zug ich am besten nach Manhattan komme: Mit dem Flughafenshuttle „AirTrain“ zur Jamaika Station, und von dort mit der Subway-Linie „E“ direkt zum WTC. Den Preis wusste er auch: 7,25$ die einfache Fahrt. Damit fühlte ich mich schon gar nicht mehr so verloren. Bis Sieben war jetzt noch genügend Zeit für Bagel & Coffee, und um über das Flughafen Wi-Fi etwas im WWW abzuhängen und per Instant Messenger meine Kollegen daheim kurz von der Arbeit abzulenken. Während dieses Internetfrühstücks wurde es auch langsam hell, der Gepäckaufbewahrungsschalter machte auf, ich wurde meinen Rucksack los, und nach einer dreiviertel Stunde Bahnfahrt stand ich am Ground Zero.

Allzu viel konnte ich dort natürlich nicht unternehmen, aber die Zeit reichte doch, um zu Fuß ein mal das Gelände zu umrunden, dabei einen Blick in die Ferne nach Liberty Island zu der berühmten Dame schweifen zu lassen, und um eine Ausstellung zur Neugestaltung des WTC-Geländes zu besuchen. Das reichte, um davon Hunger und – trotz Kälte – Durst zu bekommen. Mittlerweile war es Zwölf Uhr Mittag geworden, die Wall Street mit der New Yorker Börse NYSE lag nur ein paar Schritte um die Ecke, und da kam mir der Gedanke, in diesem Finanzviertel einen Imbiss zu suchen, genau so wie die schnieken Börsenmakler und Bankiers. Nur Starbucks und Co. machten mich ziemlich wenig an. Fast wollte ich schon an einem der Hot Dog Stände zugreifen. Ich ging dann aber noch ein wenig weiter, warf einen Blick auf Brooklyn sowie die gleichnamige Brücke und ließ mir am „Vietnam Veterans Memorial“ ein Weilchen die Mittagssonne ins Gesicht scheinen.

So schön das alles war, so musste ich auch langsam an die Rückfahrt zum Flughafen denken. Also doch schnell ein Hot Dog? – Halt! In der Water Street erspähte ich zwischen den Hochhäusern eine verlorene kleine Häuserkette aus Backstein. An einem der Geschäfte hing die Markise eines Pizzabäckers names „Franzo“. Besser als Hot Dog, dachte ich mir, und geht ebenfalls schnell. Ich steuerte darauf zu und wollte schon eintreten, da erblickte ich zwei Eingänge weiter ein ganz unauffälliges Burger Restaurant. Keine grellen Farben, keine Werbeschilder. Nur der Name stand zurückhaltend klein über dem Eingang und dem Schaufenster:

BURGER SHOPPE

Jawoll! Zum Abschluss des Urlaubs noch ein echter American Burger. Das passt. Innen stehen vor der Burgertheke auch tatsächlich meine Makler und Bankiers. Und wie es der Zufall wieder mit mir gut meint, ist über dem Stehimbiss eine Bar, die – oh wie wunderbar – ein paar Biere von der Ostküste bzw. direkt aus New York vom Fass serviert. Zu dumm, dass ich schon so knapp an der Zeit bin. Ich lasse mich trotzdem nieder, suche mir einen Burger aus, und bestelle dazu ein Bier.

Captain Lawrence Brewing: Pale Ale

Es wird in einem geeisten Glas serviert. Sieht sehr hübsch aus. Ich meine erst, der Eiseffekt wäre durch Ätzen des Glases vorgegaukelt, bis ich beim Anfassen merke, dass das echtes Eis ist. Besser: am Glas gefrorene Luftfeuchtigkeit. Optisch wirklich sehr beeindruckend. Weil das Glas sehr dickwandig ist, kühlt es allerdings leider das Bier sehr nah gegen Null. So weit, dass auf dem Bier der Schaum zu groben Eisplättchen gefriert wie Miniatureisschollen. Daher ist es für mich sehr schwierig, den Geruch und Geschmack zu beurteilen. Ich rieche jedoch ganz leise die typische Citrus-Zirbelnuss-Mischung, die ich in den Pale Ales in Kalifornien so oft gerochen habe. Ganz ganz leise wie gesagt, dadurch aber auch sehr angenehm. Das Bier ist in der Hauptsache bitter. Ich kann es aus Zeitmangel nicht lange genug stehen lassen und muss es im Mund aufwärmen. Dabei entfaltet sich ein zartes fruchtiges Malzempfinden, das die Bittere natürlich nicht vertreiben kann und auch nicht soll. Es ist ja ein Pale Ale. Und dieses hier wirkt insgesamt sehr abgerundet und wird seiner Art mehr als gerecht, soweit ich das behindert durch die Kältewirkung des Glases beurteilen kann.

Zuhause habe ich jetzt nachgegoogelt: Die Captain Lawrence Brewing Company ist eine lokale Brauerei. Sie liegt in Pleasantville, NY – ca. 35 Meilen nördlich von Manhattan.

Bluepoint Brewing Company: Toasted Lager

Auch die Blue Point Brewing ist eine lokale Microbrewery. Der Firmenname kommt vom Ort Blue Point auf Long Island, in dessen Nähe der eigentliche Brauereistandort ist: in Patchogue, NY.

Wieder bekomme ich es im geeisten Glas vorgesetzt. Da ich die Wahrnehmungsprobleme jetzt schon kenne, denke ich mir das Eis einfach weg, und dann schmeckt das Toasted Lager schön vollmundig malzig mit leicht mehligem Beigeschmack. Riechen kann ich hier leider nichts. Schade, denn das scheint mir eigentlich ein recht ordentliches Bier zu sein. Anstatt aber jetzt viele Geschmacksfeinheiten ausloten zu wollen, erfreue ich mich daran, die Eisschöllchen zu beobachten, die sich oben auf dem Bier bilden. Das ist wirklich sehr sehenswert, hätte man aber auch mit qualitativ niederwertigem Bier veranstalten können. Doch ich sitze ja im Finanzzentrum der Welt, und da gönnt man sich ja sonst nichts, gell 😉

feine Biere, wo … wir sie am liebsten haben

so lautet unser Blog-Wahlspruch. Das „und wie“ muss ich halt raus nehmen. Doch der Rest trifft hier im Wall Street Burger Shoppe vollkommen zu. Schon die schmale steile Holztreppe hinauf zur Bar war sehenswert. Und oben ging es weiter mit dem vielen Holz auf dem Boden und an den Wänden. Darüber die niedrige Decke und die Wände dazwischen vom Boden bis zur Hälfte auch mit Holz verkleidet, der Rest bis zur Decke mit Mosaiksteinchen gefliest. Der Raum mit gedämpftem Licht beleuchtet. Das erinnert mich an einen guten alten Englischen Pub. Nur die Burger und das etwas anders klingende US-Englisch lassen mir bewusst werden, wo ich gerade bin. Und seufz – ich muss eigentlich schon wieder gehen. Aber diese einzigartige Atmosphäre im Shoppe und vielleicht auch dieses England-Gefühl bewegen mich dazu, mir mit der Rechnung nun auch noch ein drittes Bier zu bestellen. Aus meinem Pub-Gefühl heraus wird es mehr oder weniger unbewusst das

Allagash Black Stout

von der Allagash Brewing Company in Portland, Maine. Mit ihrer Lage von mehr als 300 Meilen in nördlicher Richtung entfernt von der Wall Street kann man hier nicht mehr von einer lokalen Brauerei sprechen. Das ist aber nebensächlich. Das wichtige ist ja, wie das Bier schmeckt. Und das tut es – ich muss mir diesmal das Eis erst gar nicht wegdenken – außerordentlichst gut. So ein richtig voll sattes Stout habe ich bekommen. Kräftiger Kaffe- und feinwürziger Lakritzgeschmack entfaltet sich zerschmelzend auf meiner Zunge, abgerundet mit bitterem Kakao. Ich versuche mir vorzustellen, wie das ohne das dämpfende Eis schmecken würde. Vielleicht ist es sogar gut, dass dieses Bier, das Stout, so kalt serviert wird; sonst würde es mir gar den Gaumen verkleben, so als ob man einen gehäuften Esslöffel trockenes Kakaopulver lutschen möchte. Auf jeden Fall bereue ich nicht, es bestellt zu haben. Es ist an diesem Mittag ein drittes großartiges Bier von der Ostküste der USA. So schön hätte ich mir diesen Tag um Fünf Uhr früh nie vorstellen können.

Nur diese Eisflocken … die sehen im Black Stout besonders gruselig aus …

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

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