Liefmans Goudenband 1996

Weihnachten – das war für mich in diesem Jahr schon im August. Da bekam ich von Thomas, dem Socialmedia Manager der Giesinger Bräu, eine Mail mit einer Frohen Botschaft: Ich wäre der Gewinner einer Bierrarität, die unter allen Online-Ticket Besuchern der LNDB verlost wurde. Mir war diese Verlosung gar nicht bewusst, weil der Besuch der LNDB für uns Blogger ums Bier eh Pflicht ist. Umso größer also die Überraschung. Laut Ankündigung auf Facebook sollte es sich um ein geschätzt 30 Jahre altes „Goudenband Provision Beer“ von Liefmans handeln. Meinen bisher ältesten Tropfen Bier hatte ich auf der „Braukunst Live!“ in einer Masterclass mit Hans-Peter Drexler trinken dürfen. Das war ein 12 Jahre alter Aventinus gewesen. Und jetzt sollte ich also ein noch viel älteres Bier bekommen. Ich habe nach der feierlichen Überreichung meines Gewinns erstmal ordentlich nachdenken müssen, was ich mit der Rarität denn anfangen soll. Ausreichend gereift, um ein besonderes Verkostungserlebnis zu bereiten, war es ja mit Sicherheit. Andererseits sicher auch sehr wertvoll. Trinkt man so eine Seltenheit nun einfach aus? Oder hebe ich es noch ein paar Jahre auf? Um es noch wertvoller werden zu lassen? Werde ich dann aber jemals erfahren, ob und wie ein derart altes Bier denn schmeckt? Nach einigem Hin und Her beschloss ich noch im Sommer: Am Heiligen Abend soll es sein. Da wird es aufgemacht.

Als erstes durfte ich lernen, dass der Korken nicht nur die offensichtliche Aufgabe hat, die Flasche unter Verschluss zu halten. Denn bei hochwertigen Getränken, sonst eher aus der Schaumweinecke, steht auf dem Korken das Jahr der Abfüllung. Ich lese die Zahl 1996. Also nicht ganz so alt wie vermutet, doch immerhin schon älter als ein Mensch werden muss, um als volljährig zu gelten, ist diese Flasche. Neunzehnhundertsechundneunzig – da muss ich erst mal überlegen, was ich da gerade gemacht habe. In Bamberg wohnte ich damals und habe dort erstmals richtige Bierkultur kennengelernt. Das passt ja wirklich prima 🙂 . Nach dieser Überraschung dann beim Herausziehen des Korkens gleich die nächste Überraschung: Er sitzt recht fest, ich muss mit etwas Kraft daran ziehen, doch dann flutscht er in einem kurzen Ruck heraus, und zwar völlig geräuschlos. Kein „Fumppp“, kein „Plopp“, kein „Zisch“, kein Garnichts. Er rutscht einfach nur raus.

Mit Bangen halte ich die Flasche an die Nase. Holzig, muffig, irgendwie alt riecht es zunächst. Ein kurzer Schreck zum Glück nur. Bald entsteigt es aus der Flasche fruchtig wie edle reife Dörrfrüchte. Und tanninig, wie ein kräftiger alter Rotwein. Dazu kommt mit der Zeit auch etwas Säure in die Nase. Und Gewürznoten: Vanille, Nelke, Piment. Sogar ein Hauch Zimt ist dabei. Ob ich das im August, als ich die Flasche bekommen hatte, auch so beschrieben hätte, diese Summe von weihnachtlichen Düften? Vermutlich schon. Heute passt es lustigerweise perfekt zum Datum des Heiligen Abends, was da aus dieser ebenfalls geradezu heiligen alten Flasche strömt.

Wie das geräuschlose Öffnen schon vermuten ließ, läuft der edle Tropfen völlig glatt ins Glas. Kohlensäure ist da keine mehr drin. Durch etwas turbulenteres Einschenken entstehen dennoch einige grobe Blasen auf der Oberfläche. Sie sind nicht lange haltbar, doch ihre kurze Existenz zeigt, dass das alte Goudenband eben doch ein Bier ist. Eines mit deutlichem Alkoholgehalt, und von einer besonderen Beschaffenheit, die durch die lange lange Zeit seit der Abfüllung entstanden ist. Im Glas wird der säuerliche Duft deutlicher: samtig zart balsamicoartig ist er. Und auch das Tanninartige wird intensiver. Wäre nicht die braune Farbe, wäre das ein großer Rotwein.

Das alte „Goudenband“ trinkt sich letztendlich auch wie ein Wein. Oder zumindest ganz ähnlich wie ein solcher. Zu Beginn überwältigt der Schluck mit einer fruchtig säuerlichen Fülle. Diese klingt mit der Zeit sachte aber stetig ab, um in ein feinherbes Tannin umzuschlagen. Geheimnisvoll ist dann das Ende, in dem der Schluck zwar trocken, doch mit einem karamelligen Echo der Fruchtsüße verklingt. Die Gewürznoten von Anfang bleiben während der ganzen Zeit allgegenwärtig in Mund und Nase. Fast hätte ich sie vergessen, so angenehm und rund sind sie.

22 Jahre alt ist dieses Wunder. Man merkt sie, diese Zeit. Vor allem in der völligen Abwesenheit von Kohlensäure. Umso edler ist der Duft des Bieres, das mit der Zeit zu einem Wein geworden ist. Trotzdem ist dank der feinen Säure jeder Schluck erfrischend, dabei karamellig dem Gaumen schmeichelnd, würzig aufregend und wunderbar leise ausklingend. Ein kurzes Wort noch zum Alkoholgehalt: Wärmend.

Tja, und schon ist dieser schöne Moment vorbei. Ich bin froh, die Flasche heute geöffnet zu haben. Sie war noch in erstaunlich guter Verfassung, mal abgesehen von der verflogenen Kohlensäure. Ich hätte sie noch älter werden lassen können, bis sie tatsächlich 30 Jahre alt gewesen wäre. Und dann? Dann wäre das Bier zu einem Sammlerstück geworden. Vor einigen Jahren habe ich bei einer Brauereiführung vom Braumeister diese Worte gehört: „Bier ist ein Lebensmittel, und es lebt auch.“ Weil das Bier also lebt, kann es reifen. Und weil es ein Lebensmittel ist, gehört es auch getrunken, entweder früher, oder – wie in diesem Fall – später.

Bilder von der Verkostung heute


So hatte ich das gute Stück überreicht bekommen

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

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