Almabtrieb vom Wettelsheimer Keller

So langsam hält der Herbst seinen Einzug in Franken. Und mit dem Ende des warmen Wetters nimmt auch die Kellersaison auf den Sommerkellern ihren Ausklang. Auf dem Wettelsheimer Keller wird dieses Saisonende „Almabtrieb“ genannt. Da gehen dann am letzten Septembersonntag die Wettelsheimer und die Treuchtlinger alle noch ein letztes mal auf „ihren“ Keller, um Abschied zu nehmen vom Sommer, von den deftigen fränkischen Brotzeiten und natürlich vom Kellerbier aus den nach alter Tradition im Felsenkeller gelagerten Holzfässern.

Petrus hatte es in diesem Jahr sehr gut gemeint und den Kellergängern noch mal ein Wochenende voller Sonnenschein beschert. Da konnte ich einfach nicht zuhause bleiben und bin kurzentschlossen auf einen Wochenendkurzurlaub ins Frankenland gefahren. Eigentlich schien auf dem Keller alles wie immer. Nur ein liebevoll von Hand gemaltes Schild am Kellerausgang wies daruf hin, dass an diesem Sonntag der Bierkeller in einen siebenmonatigen Winterschlaf bis zum nächsten Mai gehen wird. Mit diesem Abschiedsgedanken im Hinterkopf schmeckte das Schäufele mit Kraut und Brot dann gleich noch mal so gut. Und ebenso genussreich war das bernsteinfarbene Kellerbier.

Die Stimmung auf dem Keller war auch keineswegs traurig, ganz im Gegenteil. Den Kellerbesuchern war nichts anzumerken. Nur wer genauer den Gesprächen an den Nachbartischen zuhörte, erkannte, dass dies ein besonderer Tag war. Da ließ so mancher noch mal den Sommer Revue passieren, dachte noch mal an den einen oder anderen Feiertag zurück, erzählte seinen Tischkollegen, wen er in diesem Jahr wie oft auf dem Keller gesehen hatte, wen er wann vermisst hatte, und versuchte nachzuzählen, wie oft er selbst es 2008 auf den Keller geschafft hatte. 32 mal, hörte ich einen sagen. Bei mir selber war das Zählen nicht so schwer: Ganze drei mal. Für einen auswärtigen aus München anreisen müssenden eigentlich ganz beachtlich. Und noch etwas war anders als sonst: Die Kellerbedienungen trugen auffallend viele Tabletts mit Schnäpsen an die Tische. Jeder Stammgast, und das waren fast alle, bekam zum Abschied einen Schnaps geschenkt.

Jetzt war an diesem Sonntag in Bayern Landtagswahl gewesen. Ich hatte mir deswegen mein UKW-Handy mitgenommen, um ab 18:00 Uhr beim Kellerbier den Hochrechnungen und Ergebnissen auf Radio Bayern 5 lauschen zu können. Ich hätte vermutet, dass auch der eine oder andere Kellergast ähnliches getan hätte. Aber nein, das Wahlergebnis schien niemanden, aber auch wirklich überhaupt niemanden zu interessieren. Ich sprach deshalb irgendwann, als die CSU schon lange weinte, meine Kellnerin auf die Wahl an, ob sie etwas davon mitbekommen hätte. Nein, sie wüsste nicht, wie es ausgegangen war, wollte aber gleich loslaufen und sich für mich erkundigen. Ich habe sie sofort gebremst. Denn ich empfand das als sehr angenehm, dass sich die Kellergäste lieber noch mal mit ihren Freunden und dem Bier beschäftigten, als sich mit dem Politikgeschehen zu belasten.

Diese Abschiedsstimmung auf dem Keller war so bezaubernd, und ich habe sie samt Bier so sehr in mich aufgesogen, dass ich gar nicht merkte wie die Zeit verging. Plötzlich waren ausser meinem nur noch zwei weitere Tische besetzt, und das Kellerpersonal begann damit, die ersten der Bierkellergarnituren abzuräumen. Als ich das sah, wollte ich mich schon daran machen, meine letzte Kellermaß beschleunigt leer zu trinken und schnell aufbrechen. Doch da bremste dieselbe Bedienung, die ich vorher von der Politikrecherche abgehalten hatte, mich, und meinte, ich solle ruhig sitzen bleiben und in aller Ruhe mein Bier austrinken. Es bestehe kein Grund zur Eile. Ich tat wie man mir hieß, genoss die letzte Maß ganz langsam Schluck für Schluck und schaute dabei den Kellerleuten noch eine ganze Weile beim Abbauen zu. Da wurde ich dann zu nächtlicher Stunde noch von ihnen in den Rang eines Stammgastes erhoben und bekam zum Abschluss auch noch meinen Almabtriebsschnaps geschenkt.

In sieben Monaten, zur Kellersaison 2009, bin ich wieder da!

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

2 Kommentare

  1. Seufz, ich konnte auch nicht dabei sein, aber dein Artikel macht mich so melancholisch…
    Und es stehen noch weitere Abschiede an (FoB z.B.), der Herbst ist doch eine traurige Jahreszeit.
    Andererseits kommen dann ja auch wieder die Bockbier-Anstiche! Und die Weihnachtsbiere! 🙂

  2. …wär auch gerne gekommen, aber ich musste leider das CSU-Debakel auszählen (einer muss ja die Drecksarbeit machen…;-)). Jedenfalls sind die Fotos spitze, strahlen so eine ruhige, gemütliche Traurigkeit aus. Freuen wir uns alle auf den nächsten Frühling, wenns ab ersten Mai wieder heisst: „Nauf aufn Keller!“
    Willi

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