Münchner Schankmoral

Im Mai, als ich über die Maiböcke berichte hatte, hatte ich bereits ein mal die in München oft anzutreffende schlechte Schankmoral erwähnt, damals am Beispiel des Maibocks der Münchner Augustiner Brauerei. Diese hat sogar den Ruf, auf dem Oktoberfest von allen Brauereien am schlechtesten auszuschenken. In vierzehn Tagen startet es wieder, das Münchner Oktoberfest. Ich bin überzeugt, dass dort auch der Ursprung des schlechten Rufs Münchens als Schlechteinschenkgegend zu suchen ist. Sagenumwoben ist ja die messianische Wunderkraft der Wiesen-Schankkellner, mit der sie aus einem 500-Liter-Fass eine Zahl von um die 750, ja man hört bisweilen sogar Zahlen bis in die Gegend von 1000, Mass zapfen können. Wobei – das Wies’nbier der Münchner Großbrauereien ist heutzutage meist so schlecht, dass man eigentlich froh sein sollte, nicht die volle Menge von einem Liter pro Mass trinken zu müssen! 😛

Jenem Umstand hat Bayern im Übrigen auch die Einführung der Glaskrüge zu verdanken, wie sie heute in allen Bierzelten und -Gärten üblich sind. Früher gab es nur Steinkrüge, bei denen die Schankzauberer leichtes Spiel hatten. Um dem abzuhelfen, und um dem Gast die Möglichkeit zu geben, sofort beim Servieren zu reklamieren, wurden irgendwann zwischen den 60er und 80er Jahren die gläsernen Steinkrüge eingeführt. Mit fragwürdigem Erfolg, zumindest, was die Wies’n angeht. Dort bekommt man heute immer noch die mit mehr Schaum als Flüssigkeit gefüllten Krüge vorgesetzt, gerade so als ob jeder Gast eine gelbe Binde mit drei schwarzen Punkten 😎 drauf am Arm trüge.

Touristen nehmen dies meist als gottgegeben hin. Ja, oft freuen sie sich sogar, dass alles auch in Echt so ist wie im Reiseführer beschrieben. Und bei der Kellnerin sich beschweren – um Gottes Willen! – Nein! – Man will ja auch die anderen voll bezahlten, aber nur halb vollen Biere von einer vollständig gut gelaunten Bedienung in Gänze auf den Tisch gestellt und nicht zur Hälfte in den Schoß gekippt bekommen. Dabei würde es sich doppelt lohnen, würde man sich beschweren: Zum einen bekäme man wirklich die Menge Bier, die man auch bezahlt hat, zum anderen braucht man einer grimmigen Bedienung ja nicht unbedingt ein üppiges Trinkgeld zu geben. Ich selbst gehe in der Regel einen Mittelweg: 1.) die Beschwerde, 2.) ein angemessenes Trinkgeld, wenn auf die Beschwerde wunschgemäß reagiert wurde. Ist doch klar, dass es sich leichter Trinkgeld geben lässt, wenn man auch ordnungsgemäß zu Trinken bekommt. Woher hätte dieses Geld sonst seinen Namen, 😉 gell?

Doch eigentlich wollte ich hier nicht meckern, sondern ganz im Gegenteil: etwas Positives über die Münchner Schankmoral berichten! Ja, wirklich!!! München zeigt Besserung! Und das an einem Ort, von dem ich lange vor der Existenz dieses Blogs schon, im damals noch kleinen Kreise, Schlechtes berichten musste. Erst in der Frühjahrs-Starkbierzeit 2008 noch saß ich mit benhur dort bei einem Bier, das eigentlich genau so gut schmeckte, wie es leider schlecht eingschenkt war: in der Pschorr-Bräu an der Theresienwiese. Dort stellte uns doch der Kellner eine Halbe Bockbier auf den Tisch, bei der ungefähr zwei Männerdaumen dick Luft unter dem Eichstrich war! Naja, nicht reine Luft, aber Luft mit vielen großen Bierschaum-Blasen drumrum. Auf meine Beschwerde hin meinte der Kellner, der viele Schaum sähe aber doch schöner aus, und viele Gäste wünschten das so. Mag ja sein, dass das so ist, entgegnete ich, ich wünsche aber so viel Bier zu bekommen, wie ich bezahle. Der Kellner nahm das so auf, und brachte – keineswegs unfreundlich – alle folgenden Biere des Abends deutlich über den Eichstrich eingeschenkt, das „schlechteste“ immer noch mit 1mm darüber.

Seither war ich nicht mehr in der Pschorr-Bräu an der Theresienhöhe zu gast gewesen. Nicht wegen des schlechten Einschenkens, wie man jetzt meinen könnte, nein, ganz einfach weil seit Ende Februar ja wieder die kleine feine Brauerei in Perlach ihre Pforten geöffnet hat, die das beste Bier im Großraum Südbayern ausschenkt. Da gibt es einfach keinen Grund, irgendwoanders ein schlechteres Bier zu trinken, solange nicht wirklich eine Not dazu vorhanden ist. Doch am vergangenen Freitag Abend kam ich per Zufall wieder zur Theresienhöhe. Es war ein heißer Tag gewesen, wie durch Zufall hatte ich gerade Durst, und warum sollte ich nicht reinschauen zur Pschorr-Bräu an der Bavaria? Deren Bier ist nämlich in der Tat einzigartig gut: Ein Zwick’lbier und ein Weissbier, die beide kein ähnliches neben sich haben in der bayerischen Landeshauptstadt und geschmacklich ganz weit oben mitmischen können, wenn in Perlach während der dunklen Jahreszeit zu ist. Ich war schon innerlich darauf vorbereitet, trotz großen Durstes die erste Halbe vor dem ersten Schluck noch mal vom Kellner zum Vollmachen an die Schänke zurücktragen zu lassen. Doch welch große Überraschung: Die Flüssigkeit stand deutlich oben am Eichstrich, und es war noch genügend optisch einwandfreier Schaum darüber!!! Man würde mein Gesicht doch nicht vom Frühjahr her noch in Erinnerung gehabt haben? Ich beobachtete den Kellner, bzw. seine Gläser beim Bedienen der anderen Gäste, und eigenartig – alle Gäste genossen den selben guten Service wie ich. Und das war den ganzen Abend lang bei wirklich allen Gästen so. Auch meine eigenen nächsten beiden Halben bekam ich mit dem Flüssigkeitspegel nicht unter dem Eichstrich vorgesetzt. Möglicherweise hatten sich nach mir heuer noch mehr Gäste beschwert gehabt. Aber wie auch immer – es freut mich, über die Münchner Schankmoral auch mal was Positives schreiben zu können. Und das von einem Lokal so nah an der Theresienwiese, wo alles seinen Ausgang nahm.

P.S.: Außerhalb Münchens, z.B. in Perlach, und vor allem im Bierparadies Franken, gibt es die Erscheinung von zu viel Luft zwischen Bier und Eichstrich nicht. Wollen wir mal hoffen, dass ich am Freitag keine Fata Morgana erlebt habe, und das „Phänomen Pschorr-Bräu“ ein ansteckendes ist (Theresienwiese, hast Du gehört!).

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

Ein Kommentar

  1. Danke, das musste ja endlich mal gesagt sein!
    Ich persönlich gehöre allerdings auch zu denen, die die Luft im Glas als gottgegeben hinnehmen, da ja auch die Preise überhaupt (hier in München) völlig aus der Luft gegriffen sind und also das Bier pro Euro mehr als zwei männerdaumenbreit variiert. Trotzdem ärgert es mich.
    Aber das Pschorr-Bräu dort muss ich auch mal wieder haben, egal mit wieviel Schaum, es ist einfach überraschend lecker!

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