Störtebeker Atlantik-Ale

Schon vor einiger Zeit hatte mich ein Kollege wieder mit einem norddeutschen, besser nord-ost-deutschen, Bier beglückt: Mit einem „Störtebeker“ „Atlantik-Ale“. Noch vor einem Jahr hätte mir dieser Name nicht viel gesagt. Jetzt aber, nach einigen vorangegangenen und mitunter sehr positiven Begegnungen mit Störtebeker-Bieren, wusste ich gleich, dass es aus der Brauerei in Stralsund kommt. Und von den Begriffen „Atlantik“ und „Ale“ zusammen habe ich sofort ein mit modernen Armahopfen kalt-gehopftes herbes Hopfen-Getränk erwartet. Die Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund verspricht dann auf dem Flaschenetikett auch genau dieses: „Kräftige kalte Hopfung mit den Sorten Magnum, Saphir, Cascade, Amarillo, Citra“ wird da angegeben, und auch eine Beschreibung dessen, was man damit erleben kann. Das wollte ich dann aber doch lieber selber herausfinden, und habe daher den beschreibenden Rest des Etiketts bewusst nicht allzu genau studiert.

Aromakünstler

Die bekannteste Eigenschaft der genannten Hopfensorten ist in der Regel ihr außergewöhnlicher aufregender Duft, und so habe ich vor dem Öffnen noch mal meine Nase ordentlich gut geputzt. Das hat sich gelohnt! Ein heftiger frischer Duft strömt aus der Flasche, im ersten Eindruck zitronig, fruchtig frisch, dabei vor allem fruchtig. „Fruchtig“: die Frucht, die sich in meiner Vorstellung dabei zuerst am deutlichsten in den Vordergrund schiebt, ist eine Orange, eine Sekunde später wird es eine Mandarine, dann drängt sich wieder die Citrusfrucht vor. Zitronige Mandarine würde ich am Ende sagen. Die Hopfensorten haben meine Erwartungen voll und ganz bestätigt. 🙂

Schaumschläger

Beim Einschenken entsteht im Glas ein irre schöner Schaum. Er sieht ziemlich luftig aus, d.h. die Blasen sind relativ groß. Für diese Luftigkeit hält sich der Schaum auch überraschend gut. Und wenn er schon etwas zusammengefallen ist, z.B. nach der Zeit, die ich für das Foto gebraucht habe, lässt er sich durch Schwenken des Glases immer und immer wieder neu erzeugen. Das Bier schäumt dabei nicht etwa über, nein, nur so weit, dass es wieder schön aussieht. Und es sieht wirklich sehr, sehr schön aus. Das Atlantik-Ale hat damit schon fast etwas weibliches an sich: riecht gut, sieht gut aus, und lässt sich wieder aufputzen, wenn die Optik nachlässt. Mal gucken, wie es schmeckt! 😉

Auch im Mund behält das Atlantik-Ale seine Schaumfreudigkeit. Ich spüre richtig, wie das Bier weiter aufschäumt. Die Intensität des Schäumens ist derart, dass ich das Bier nicht mehr als prickelnd empfinde, aber auch noch nicht als cremig. Es „schäumt“ halt einfach und wirkt, stimmig mit dem vorangegangenen optischen Eindruck, auch im Mund „luftig“. So aufregend diese Luftigkeit nun aber beim Anschauen ist, sie geht leider auf Kosten von vollmundiger Geschmacksempfindung. Danach suche ich während des Trinkvorgangs vergeblich. In der Trunkmitte ist das Atlantik-Ale hauptsächlich nur Luft, Luft und Luft. Es fehlt ihm an Körper, es fühlt sich irgendwie transparent an. Schade. Der tolle Duft zuvor ist nicht im Geschmack aufgegangen. Und vom Malz scheint nur das Eiweiß gut gepflegt zu sein. Da fehlt es, ähnlich wie bei frisch geschlagenem Kuchen-Eischnee, an eigenständigem Geschmack. Der Schaum wäre mit einer Röntgenkamera betrachtet sicher eine Schau im Mund. Das hilft dem Genuss aber nur wenig. Die Braumanufakteure scheinen sich dessen immerhin bewusst zu sein, und schreiben daher vollkommen ehrlich und auch ganz richtig auf die Flasche „voluminöser Schaum“ und „trockener Trunk“. Das passt.

Bitterlehrmeister

Nach diesem enttäuschenden Mittelteil ist der Abgang dann wieder ein richtiges Schauspiel. Und zwar wird hier die Hopfenherbe großartig aufgeführt. Klar und kräftig ist sie, vollkommen rein herb. Mir ist die Herbe fast schon zu stark. Sie wirkt im Anfang sogar leicht beißend und bleibt dann wie ein dicker Pelz auf der Zunge liegen. Wer schon immer mal wissen wollte, wie Hopfen pur schmeckt und wirkt, der weiß spätestens nach einem kräftigen Schluck vom Atlantik-Ale Bescheid.

Und ich glaube jetzt auch über die Absicht der Biermacher Bescheid zu wissen: Mit diesem Bier sollte scheinbar gezeigt werden, was ein toller Hopfen so alles drauf hat. Nämlich ein unglaublich vielfältiges Duftspektrum nach in diesem Falle überwiegend citrusartigen Früchten, und das nicht eindimensional mit nur einer Duftnote, sondern so, dass man mit jedem Atemzug eine zwar ähnliche, aber doch andere Frucht vor der Nase zu haben glaubt. Und weil ich ja dauernd fotografieren und Notizen schreiben muss, hat das Ale auch Zeit, sich etwas zu erwärmen, was sich auf den Duft so auswirkt, dass auch etwas schwerere Noten zum Vorschein kommen. Der Hopfenduft wird etwas harziger, würde ich es beschreiben. Das ist dann wahrscheinlich das, was die Störtebeker Brauer mit dem Ananas-Aroma meinen, das sie in die Beschreibung gesetzt haben. Nach so viel intensiven Geruchseindrücken vorneweg ist der hopfenherbe starke Abgang nur mehr als logisch. Hopfen ist vor allem im pilsigen Norden ein Synonym für Herbe. Hier im Atlantik-Ale lässt sich diese Herbe in Reinform erfahren. Brautechnisch soll Hopfen schließlich auch noch die Schaumstabilität eines Bieres unterstützen. Wenn ich es recht überlege, dann bekommt man auch diese Eigenschaft mit der Schaumfreudigkeit des Störtebeker Atlantik-Ale lehrbuchmäßig demonstriert.

Fazit

Man müsste eigentlich jedem Brauanfängerlehrbuch im Kapitel über Hopfen eine Flasche Störtebeker Atlantik-Ale beilegen. Es ist trotz seiner heftigen Hopfung relativ leicht (alc. 5,1% vol). Auch in der Duftvielfalt überfordert es nicht, da diese klar strukturiert ist, d.h. bei einer Fruchtrichtung bleibt. Und auch der Abgang ist in seiner Stärke klar und deutlich, und vor allem herb. Das Atlantik-Ale ist in meinen Augen ein ideales Einsteigerbier für werdende Hopfenliebhaber.

Und wem das Atlantik-Ale gefallen hat, der sollte dann ruhig nach weiteren Bieren aus Stralsund Ausschau halten wie etwa dem „Jubiläumsbier 777“.

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

Ein Kommentar

  1. Endlich konnte ich dieses Bier auch probieren. Ich bin begeistert! Ich empfand auch diese Fruchtigkeit in Duft und Antrunk, dazu aber auch ein wenig grasige Würzigkeit. Und die Früchte waren eher reifes Weichobst, satte saftige Beeren… Eine Leere in der Mitte empfand ich auch nicht, aber klar liegt das Beste hier vorn und hinten! Ich würd mir das jedenfalls jederzeit gern wieder kaufen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha
5 - 5 = ?
Reload