Vor Kurzem hat die Die Brauerei Schneider in ihrer Sonderreihe „TAPX“ ein neues Bier vorgestellt. Nach dem hellen Weizenvollbier „Meine Sommer Weisse“ soll es jetzt passend zur beginnenden kühleren und dunkleren Jahreszeit eine schwere malzige Bierspezialität geben: ein Cuvée aus „TAP6 Unser Aventinus“ und „Aventinus Eisbock“ mit dem Namen „TAPX Mein Aventinus Barrique“. Wie sein Name bereits sagt, wurde die Weizenbockmischung in Eichenholzfässern gelagert. Viele Bier-Highlights der jüngerer Zeit, darunter auch die „Sommer Weisse“, bauen ihre Besonderheit auf Kalthopfung, dem sog. „Hopfenstopfen“ auf. Da schien mir die Schneiderneuheit doch mal was ganz Anderes zu sein und den Weg ins Weisse Bräuhaus im Tal 7 in München allemal wert. Doch oh weh, das neue TAPX war an diesem Wochenende noch nicht erhältlich. Stattdessen machte ich jedoch die völlig unverhoffte Entdeckung eines „ganz normalen“ untergärigen Hellen Bieres, das mir ganz so normal aber doch nicht schien. Am Ende war ich sogar froh, dass ich auf das neue TAPX noch etwas warten muss.
Erst war ich natürlich schon etwas betrübt, dass ich mich scheinbar umsonst auf den Weg gemacht hatte. Daher hatte ich das rote Wappen auf den Gläsern, mit denen im Weissen Bräuhaus das Helle untergärige Bier serviert wird, nur eher beiläufig wahrgenommen. Eine Besonderheit zur Wies’n-Zeit, dachte ich zunächst. Erst als auch Gäste an meinem Tisch ein Helles bestellt hatten, konnte ich eines dieser Gläser näher betrachten. Was ist denn das? Ein Bier aus meiner schwäbischen Heimat! Storchenbräu, Private Landbrauerei – die kenne ich doch! 🙂 Der Storchenbräu ist in Pfaffenhausen, einer schwäbischen Gemeinde, die noch aus einem ganz anderen Grund für Bierfans von Bedeutung ist: Dort steht nämlich im Original das legendäre Ufo aus der Heimat- und Bierkomödie „Xaver und sein außerirdischer Freund“.
Obwohl ich gerade erst einen regulären Aventinus hatte, danach ist ein Untergäriges in der Regel eher schwierig, bestelle ich natürlich sofort ein Storchenbräu. Untergärige Aromen wirken direkt nach dem Genuss eines obergärigen Bieres – hier war es sogar ein Doppelbock- durch ihre viel stärker ausgeprägten gärigen Noten im Kontrast oft unangenehm. Umso mehr bin ich davon überrascht, was ich im Storchenbräu wahrnehme, und das auch noch sofort, ohne Umgewöhnungs- und Anpassungszeit vergehen lassen zu müssen: Auf Anhieb angenehm, duftet es so richtig echt natürlich und voll nach Gerstenmalz, fast wie frisch geschrotet. Aber auch untergärig, nur wundersamer Weise eben irgendwie – angenehm. Hopfen ist schon auch vorhanden, ordnet sich dem Malz aber schön unter. Der Geruch ist also insgesamt schön rund bierig mit deutlicher Malzbetonung. Im Antrunk setzt sich diese Malzigkeit in einer feinen Malzsüße fort. In der Mitte entwickelt sich dann auf einmal auch die Hopfenherbe, die im Abgang deutlich bleibt, aber das Malz nie übertüncht. Sehr gekonnt ist diese Hopfung, meine ich. Gerade der Abgangshopfen zündet sehr sachte und lässt die Wahrnehmung von Malz brav weiter leben. Der Hopfen stellt sich im Abgang zwar schon irgendwie in die Mitte. Doch genau das ist es: Ja, in die Mitte, und nicht in den Vordergrund. So ist das eine höchst gekonnte Abrundung eines Meisterstücks.
Der Storch steht ja auf nur einem Bein. Ich bestelle besser noch einen zweiten, um diese herrliche Biererfahrung noch ein Mal durchleben zu können. So harmonisch wie in diesem Hellen Storchenbier habe ich Hopfen und Malz schon lange nicht mehr erlebt. Noch bevor ich das Malz beim Trinken so richtig natürlich vollmundig genieße, kann ich meine Nase mit – wie beschreibe ich es? – einem „vollnasigen“ Malzduft über feinen untergärigen Tönen erfreuen. Im Mund entwickelt sich wieder und wieder die vollmundige Malzsüße, die mit ausgleichender Hopfenwürze und Herbe lange ausklingt.
Hintergrund
Viel konnte ich an diesem geschäftigen Oktoberfestsamstag im Weissen Bräuhaus nicht über den Grund des Ausschanks von Storchenbräu Bier aus Pfaffenhausen erfahren. Auf dem Aufsteller auf den Tischen steht etwas von einer 60-jährigen Partnerschaft von Schneider Weissbräu mit dem kleinen Großvogel aus dem Schwäbischen. Dazu ein Bild mit Georg VI. Schneider neben Storchenbräu Brauereichef Hans Roth. Vielleicht hat der reine Weissbierbrauer Schneider in seinen schwäbischen Vertragsgaststätten eine ähnliche Kooperation für das Untergärige, wie er sie in seinem Stammhaus mit dem Tegernseer Brauhaus praktiziert. An einem ruhigeren Tag könnte ich mal bei der Restaurantleitung nachfragen.
Zumidest gibt der Tischaufsteller die wichtigsten technischen Daten des Storches preis: Der Hopfen, den ich die ganze Zeit schon so schön finde, ist „Tettnanger Aroma“. Und das „Helle“ ist mit 12,8% Stammwürze bei einem Volumenalkoholgehalt von 5,3% eigentlich schon ein Export.
Fazit
Das Helle Fassbier vom Storchenbräu ist vollnasig malzig mit sachten untergärigen Noten und feinstofflicher Würze von Tettnanger Aroma. Trotz dezenter Gabe ist der Hopfen im Mund bei jedem Schluck allgegenwärtig, nur eben nicht übertönend. Eher untermalend, ausgleichend und ergänzend. Ein vollendetes, schönes, angenehmes, vollnasiges und vollmundiges, auchhopfiges, bieriges Bier. Noch lange nach dem letzten Schluck bleibt diese volle Malzigkeit im Munde liegen. Und der Tettnanger Aroma Hopfen ist scheinbar „nur dabei“, doch voll harmonierend „immer da“.
Ergänzung
(Datum: 21.07.2020)
Als ich im Jahr 2013 diesen Artikel geschrieben hatte, hieß das Traditionsgasthaus im Tal 7 zu München noch „Weisses Bräuhaus“. Anfang 2016 wurde daraus das „Schneider Bräuhaus“. Der Grund war, so hatte es damals der Geschäftsführer des Wirtshauses, Otmar Mutzenbach, auf Nachfrage immer wieder erklärt, dass die Münchner, wenn sie dort hin gingen, eher sagten, sie gingen „zum Schneider“. Deshalb, und wegen weiterer marketingstrategischer Aspekte, hat man sich also zu einer Umfirmierung entschlossen, die auch die Webseite des Bräuhauses betraf. Diese lautet jetzt https://www.schneider-brauhaus.de/.