Bier aus USA: Anchor Steam Beer

Während meines Aufenthalts hier in den Staaten hat mir benhur von zuhause per Kommentar einen Forschungsauftrag mitgegeben: Ich solle das Anchor Steam Beer aus San Francisco testen, falls es dieses Bier noch gibt. Und tatsächlich hatte ich keine große Mühe, mir ein paar Probefläschchen zu beschaffen, denn das Bier ist offenbar noch sehr verbreitet. Jedenfalls war es in jedem Liquor Store, den ich besuchte, in ausreichender Menge vorhanden. Seltener in Einzelflaschen als gleich im Viererpack oder noch größer. Wir haben bei der nächsten Gelegenheit also gleich so ein Gebinde mitgenommen, das dann aber ob der sagenhaften Biervielfalt in den Staaten erst ein paar Tage im Kühlschrank auf mein tasting warten musste.

Heute war es dann also so weit. Das tasting beginnt natürlich mit dem

Öffnen der Flasche

Das bescheidene Pyramid Beer hatte ich durch Drehen des Kronkorkens von Hand öffnen können. Beim Anchor Steam war jedoch auf dem Käpselchen der Hinweis

USE OPENER

aufgedruckt. Ob das technische Gründe hat oder Marketing ist, jedenfalls ist es ein kleiner Unterschied.

OK. Die Flasche also mit dem Öffner aufgemacht und an die Nase gehalten: Der Duft ist hauptsächlich malzig, kaum hopfig herb. Fast schon ein wenig wie Karamalz.

Als nächstes die

Flasche eingeschenkt

Der Schaum ist im Vergleich zu meinen bisherigen U.S.-Flaschenbieren ungewöhnlich stabil. Steht ja auch auf der Flasche:

thick creamy head

Nun aber endlich

getrunken

Da schmecke ich einen Hauch von Karamell. Das Anchor Steam ist leicht süß, hat aber im Kontrast dazu einen kräftig herben Abgang. Insgesamt ist es absolut vollmundig. Die Bittere ist solide und harmonisch in den Körper eingearbeitet. Es schmeckt so eigentlich wie ein deutsches Pils mit Bernsteinfarbe. Hätte ich es in Deutschland getrunken, würde ich sagen, es ist ein „nordisches“ friesisch herbes Bier. Durch seine Farbe und die leichte Malzsüße hat es aber auch ein bisschen einen Münchner Charakter. Ich ordne es also mal in der Mitte ein, zwischen Münchner Hell und Friesischem Pils, als herbes Bier.

Technischer Hinweis

Beim Anchor Steam scheint mir mehr als bei manch anderem Bier die Trinktemperatur besonders wichtig zu sein. Frisch aus dem Kühlschrank wirkt hauptsächlich der herbe Anteil. Das süße Karamell entwickelt sich erst mit zunehmender Temperatur. 12°C oder aufwärts.

Ale oder Lager?

In den USA werden ja, gerade in den Microbreweries, vor allem Ales gebraut. Auch in den liquor stores, den Getränkemärkten, findet man in der Abteilung „Craft Brew“ überwiegend Ales. Vom Geschmack her kann ich beim Anchor Steam nicht sagen, was es genau ist. Nicht wirklich Pils, nicht wirklich Helles, nicht Ale und auch nicht Lager. Es ist herb trocken, und auch vollmundig. Doch nicht aromatisch fruchtig, sondern süßlich malzig friesisch herb. Ich muss mich auf die Auskünfte von der Brauereihomepage (Link siehe oben) verlassen. Und da steht, dass historisch gesehen das Anchor Steam aus der Not heraus wie ein Ale gebraut wurde, aber mit Lager-Hefe vergoren. D.h. es wird mit untergäriger Hefe fermentiert, aber bei höherer Temperatur, so wie Ales. Die untergärige Temperatur wäre irgenwo zwischen 0°C und 13°C, die obergärige bei 13°C bis 24°C. Was genau man in der Brauerei heute macht, ist deren Geheimnis. Das Resultat jedoch würde dieser Ale-mit-untergäriger-Hefe-Theorie geschmacklich voll entsprechen.

Fazit

Das Anchor Steam Beer als Flaschenbier kann ich nur empfehlen. Es ist von meinen getesteten U.S.-Bieren dasjenige, das meiner Erfahrung nach dem Deutschen Geschmack am nächsten kommt, und dennoch seinen U.S.-Charakter behauptet.

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

5 Kommentare

  1. So, hat lange gedauert, aber ich habe eins bekommen! Und zwar in Nürnberg, in der fantastischen Craft Beer Abteilung des größten Edeka Getränkemarktes! So oder so für Bierliebhaber ein Paradies…
    Ich kann Ralfs Beschreibung in allem absolut zustimmen: genau so schmeckts.
    Erinnerungen hat es nicht geweckt, das war ja auch schon 1986. Aber schön ist es, und ragt unter all den IPAs lohnenswert heraus!

  2. Alois B. Grahmhauser

    Bin auch Fan des Anchor Steam.

    Im bayerischen Fachhandel kann man es leider nicht bekommen, allerdings im Internet beim „Bierzwerg“. Preise sind IMHO fair, sieht man mal von den Versandkosten ab.

  3. Hallo zusammen, habe eben den Blog entdeckt. Ich bin absoluter Bierfan und habe schon ca.200 Sorten „verkostet“.
    Das Anchor-Steam entdeckte ich 1996 in San Francisco.War ja unvermeidlich.;-) Das ist wirklich ein Highlight am Bierhimmel.
    Zur Zeit lebe ich in Mittelfranken und somit im Bierparadies.
    Dennoch würde ich gerne nochmal einen Anker naschen. weiß jemand, ob man das Anchor Steam in Deutschland irgendwo bekommt?
    es grüßt der Klaus

  4. Oi! Super unterhaltsamer Blog, macht richtig Spass beim Lesen und übrigens – das Anchor Steam ist bei Weitem mein Lieblingsbier, vielleicht liegts am caramel flavor…;)

  5. Danke, Ralf, für deinen Bericht! Da hatte ich ahnungsloser Bieranfänger damals – bevor die ganzen Microbreweries überhaupt wieder so aufkamen – ja mit Glück (ich glaub, es war eine Empfehlung) doch etwas Lohnenswertes erwischt.
    Nach deiner differenzierten Beschreibung muss ich mich nun aber mal dran machen, irgendwoher so ein Bier zu bekommen und nochmal zu trinken!

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