Eines der traditionellen Starkbierfeste im Raum Augsburg ist das Frühlingsfest im Augsburger Stadtteil Göggingen. Das Festzelt dort betreibt seit Jahren schon die Familie von Metzgermeister und Festwirt Alois Binswanger. Früher Alois Binswanger selbst, seit nun schon bald 10 Jahren seine Tochter Angelika und der Schwiegersohn Reiner Kempter. Starkbierfest, da sollte man meinen, dass ich heute wegen des Starkbieres auf das Fest gegangen bin. Aber das stimmt nicht. Denn in die Festhalle Binswanger & Kempter zieht mich vor allem der Ochs am Spieß, der in Göggingen immer am ersten Festsonntag gegrillt wird, und das war heute. Es versteht sich aber von selbst, dass ich natürlich auch vom Bockbier nicht die Finger lassen konnte.
Bei dem Bockbier auf dem Gögginger Frühlingsfest handelt es sich laut Speisekarte um den
Kloster Scheyern Doppelbock „Bajuvator“
Der erste Schluck ist anfangs typisch süß wie Bayrisch Malzbonbons, also richtig kräftig malzig. Schnell aber schlägt das süße Malz um in ein sehr brenzlig herbes Malz. Im herben Abgang emfinde ich dann auch keine Hopfenherbe, eher sowas wie verflüssigte Holzkohle. Trinkbar wird der Bock nur durch die “Verdünnung“ mit dem Alkohol, den die Hefe nach der Gärung darin hinterlassen hat. Das Trinken macht mit dem Bajuvator also nur bedingt Freude.
Nachdem der Trinkgenuss also nur ganz schwach gegeben war, gab ich dem Bajuvator noch eine Chance bei meiner Nase. Und das war dann doch noch wirklich interessant. Was sich da nämlich schnuppern ließ, wenn ich meine Nase tief in die Maß steckte, würde ich ungefähr so beschreiben: In Abwesenheit von Hopfen steht darin ein malziges, leicht scharfes, an Lösungsmittel erinnerndes Gemisch. Ungefähr so wie ein sehr einfacher Malzwhisky. Das war dann aber schon das angenehmste Empfinden am Bajuvator.
Fazit
Alkohol aus Malz.
Scheyern?
Mit an unserem Tisch saß auch ein Augsburger Gastronom, und der sagte uns: „Wenn es ‚Bajuvator‘ heißt, dann kommt es von Tucher.“ Und da ist sie wieder, die Tucher-Scheyern-was-ist-was-Verwirrung. 😮
In der Speisekarte steht wie oben geschrieben
Kloster Scheyern Doppelbock „Bajuvator“
Ich schau auf der Webseite der Klosterbrauerei nach und finde bei den Bieren nur den „Doppelbock“ ohne einen „-ator“-Namen: http://www.klosterbrauerei-scheyern.de/doppelbock.html .
Im Webauftritt der Brauerei Tucher finde ich dagegen im Spezialtiätensortiment einen Doppelbock, der eben den Namen „Tucher Bajuvator Doppelbock“ trägt: Siehe die entsprechende Seite auf www.tucher.de (Spezialitätensortimen) .
Habe ich da jetzt etwa ein Gemisch aus den beiden Bieren bekommen? Nein, ich glaube dem Augsburger Gastronom, dass es der Doppelbock von Tucher war. Ein genauer Blick auf mein Foto von der Getränkekarte scheint dies auch zu belegen: Die „normalen“ Biere tragen den Brauereinamen „Hasenbräu“, der alten Augsburger Brauerei also, die mittlerweile im Dr. Oetker-/Radeberger-/Tucher-Konzern aufgegangen ist.
Zum Schluss noch was Gutes: Der Ochs
Trotzdem das Bier also beileibe nicht der Renner war, werde ich immer wieder ins Binswanger & Kempter – Festzelt gehen, um den besagten Ochsen zu essen. Der ist nämlich dermaßen schmackhaft, zart, und mit einer genialen Soße serviert, dass ich auf diesem Gebiet nichts besseres kenne, auch nicht die „Ochsenbraterei“ vom Münchner Oktoberfest. Als Senior-Festwirt Alois Binswanger auf seiner Runde durch das Festzelt bei uns vorbei kam, sprach ich ihn ganz direkt auf das Geheimnis seines Ochsen und vor allem seiner Soße an. Und da verriet mir Alois Binswanger als erstes, dass er das Geheimnis natürlich nicht verraten wird ;-). Aber etwas sagte er dann doch: Dass der Ochse nicht älter als ein Jahr sein dürfe, und vor dem Aufspannen auf den Grill erst mal 11 Tage lang im Kühlhaus hängen müsse. In der Soße, in der meiner Meinung nach eine beträchtliche Zugabe Lorbeer und Nelken sein müssten, sei ein bestimmter Zucker enthalten. Dieser mache den rosa Rand an den Fleischstücken, den man auf meinem Foto erkennen kann. Das soll nicht so sein, meint er, ist aber halt einfach so.
Irgendwie scheint er darauf gewartet zu haben, dass er endlich mal wieder nach dem Rezept gefragt wird. Denn nicht ohne Stolz erzählt er weiter, dass er durchaus auch mit dem Wies’nwirt Haberl von der „Ochsenbraterei“ Kontakt gehabt hatte. Dem hat er nämlich mal seinen Ochsengrill verkauft, und da hätte man sich auch über die Zubereitung ausgetauscht. Am besten sind aber nach wie vor seine eigenen Ochsen. Ob er das sagte, oder ich, daran kann ich mich nach der langsam eintretenden Wirkung des Malzalkohols nicht mehr erinnern. Dass es aber tatsächlich so ist, das würde ich jederzeit unterschreiben.
Der Ring kommt nicht vom Zucker, sondern von der Reaktion vom roten Blutfarbstoff mit Kohlendioxid. Wahrscheinlich war der Ochse hinter einer geschlossenen Scheibe auf dem Grill.