Augustiner Heller Bock wird Helles Böckchen

Jedes Jahr freue ich mich im Frühjahr auf die Maibocksaison. Einer meiner liebsten unter den Maiböcken ist der Helle Bock von Augustiner. Beginn der Saison ist bei Augustiner immer am 23. April, dem „Tag des Bieres“ zur Feier des Bayerischen Reinheitsgebots. Besonders lieb habe ich den Hellen Bock in einer Augustiner Wirtschaft, wo er im Fass gut gepflegt ist. Gerne aber kaufe ich mir auch einen Träger für daheim. Jeder Münchner kennt die blauen Augustiner Tragerl mit den dickbauchigeren Halbeflaschen, die im Volksmund sogar „Augustinerflasche“ genannt werden. Offiziell heißt diese Flaschenform „Euro-Flasche“. Doch oh Wunder, was? Im Getränkemarkt stehen in diesem Jahr nur Kästen mit kleinen 0,33l Flaschen Heller Bock! Was ist da los?

Eine offizielle Antwort auf diese Frage habe ich bisher noch nicht gefunden. Auf der Homepage der Augustiner-Bräu München ist jetzt, als ich diesen Artikel schreibe, noch die alte Flasche nebst zu diesem Bier passendem Willibecher zu sehen: hier klicken zum Bild. In den Gaststätten bekommt man schon ein neues Glas mit speziellem Bockaufdruck, in der Größe 0,3l. Wie im Bild zu sehen, ist es ein Pokal. Diese kleine Form heißt „Brauerstutzen“. Irgendwie sehr treffend, dieser Name: „gestutzt“. Das entspricht genau dem Gefühl, das ich hatte, als mir die 0,33er Fläschchen heuer erstmals begegnet sind. Der Bock wurde zurechtgestutzt. Aber worauf und warum? Die Mitarbeiter der Brauerei selbst wissen es auch nicht. Ein Augustiner Brauer sagte mir, dass man sich im Betrieb zumindest sehr gewundert hat, dass das aus der Führungsetage so angeordnet wurde. Bierfahrer der Brauerei konnten mir nur bestätigen, dass sie den Bock heuer ausschließlich in diesen kleinen Flaschen gesehen hätten, abgesehen natürlich von den Fässern für den Hahnausschank. „Vielleicht sind denen die großen Flaschen ausgegangen“, meinten sie im Scherz.

Ich kann daher nur spekulieren. Folgende Gründe würden mir einfallen:

  • Man ist dem Trend zu leichteren Bieren gefolgt. Eine Halbe Heller Bock mit 7,5% vol. Alk. entspricht einer schlecht eingeschenkten Maß Vollbier wie dem Lager Hell von Augustiner. Eine 0,33er Flasche Bock dagegen entspricht ziemlich genau einer regulären 0,5er Flasche vom Hellen. Man kann also gleich viele Flaschen trinken und erliegt nicht der Wucht des Starkbieres.
  • Im Getränkemarkt kostet ein Kasten Heller Bock mit 24 Stück der 0,33er Flaschen 17,99€ – für 8 Liter Bier. Den Kasten Lager Hell mit 20 0,5er Flaschen bekommt man für etwa 15,99€ – hier sind dann 10 Liter drin. Würde man den Kasten Bock auf 10 Liter hochrechnen, käme man auf 22,49€. Vielleicht hat also ein Verkaufspsychologe die Augustiner Geschäftsführung beraten, und man wollte unbedingt den Preis für den Kasten unter 20€ halten. Dabei kommen mir doch die Nürnberger Rostbratwürste in den Sinn, die ebenfalls so niedlich klein sind, weil angeblich der Nürnberger Stadtrat in früherer Zeit einmal den Preis pro Stück festgeschrieben haben soll.
  • Schließlich könnte auch der Gedanke eine Rolle gespielt haben, dem Hellen Bock ein etwas edleres Gesicht zu geben. Die kleinen Flaschen sind nämlich dieselben, in denen auch das Pils von Augustiner ausgeschenkt wird. Und wenn auf vornehmen Veranstaltungen, auf „Events“ also, ein Bier serviert wird, geschieht das oft in edel und elegant wirkenden kleinen Einheiten. Die von Augustiner für das Pils, und jetzt auch den Hellen Bock, verwendete Flaschenform heißt übrigens „Vichyflasche“. Hier der Link zum offiziellen Bild auf der Brauereihomepage.

Wahrscheinlich liegt die Wahrheit wie immer irgendwo in der Mitte. Was den Genuss vom Hellen Bock angeht, habe ich jedoch eine ganz klare – Glas-klare – Präferenz: Er gehört für mich eindeutig in den Willibecher. Ich habe drei Varianten ausprobiert:

  • Brauerstutzen, 0,33l. Ich meine, darin wird der Genuss, wie der Name schon sagt, gestutzt. Das kleinere Glas gibt einfach auch weniger von den feinen Gerüchen des Bieres preis. Die sich nach oben geradlinig und stetig weiter öffnende und dabei relativ breite Form lässt den durch die Kleinheit des Gefäßes ohnehin schon reduzierten Duft ungehindert entkommen. Die Feinheiten des edlen Stoffes werden kaum für die Wahrnehmung unterstützt.
  • Steinkrug, 0,5l. Das ist schon besser, jedoch in der gegenteiligen Richtung nicht optimal. Der Krug fördert aufgrund seiner Weite die malzigen Eigenschaften des Hellen Bocks. Der Witz am Augustiner Maibock ist jedoch gerade seine extreme helle Farbe und sein feiner untergäriger Geruch. Diese gehen in der Breite und Tiefe des Steinkrugs ziemlich unter. Das an sich feinste der Augustiner Biere kommt im Steinkrug eher derb „bockig“ rüber.
  • Willibecher, 0,5l. Ich meine eh, dass diese Glasform mit die beste ist für Lagerbiere deutscher Brauart. Malz- und Hefeduft sind hier gut ausgewogen. Auch das im Maibock nicht so sehr im Vordergrund stehende Hopfenaroma gesellt sich einfühlsam dazu.

Ich werde also ab jetzt für zuhause auf den Hellen Bock von Augustiner verzichten und zusehen, dass ich ihn gut gehegt und gepflegt im optimalen Glas bekomme. Man sieht sich zum Augustiner Maibock in Zukunft im Augustiner am Platzl, im Gasthaus Isarthor, im Museumsstüberl des Bier- und Oktoberfestmuseums, im Königlichen Hirschgarten oder gleich in den Augustiner Bräustuben an der Landsberger Straße. Oder an jeder anderen Augustiner Fassausschankstelle mit Maibockverfügbarkeit.

Pröstla!
ralf

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

Ein Kommentar

  1. Augustiner Maibock 2020 – wieder nur als Preisnhoibe verfügbar.

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