Mit dem Ende der Sommerzeit im Oktober beginnt in Franken die Zeit der Bockbiere und Bockbieranstiche. Bei so einem Anstich wollten wir natürlich auch mal dabei sein. Die Auswahl ist groß: Ab Ende Oktober wird fast jeden Tag irgendwo ein Bock angestochen. Um mehr als nur einen Bock versuchen zu können ist schon mindestens ein verlängertes Wochenende nötig. Für den Anfang suchten wir uns den Anstich bei der Brauerei Grasser in Huppendorf aus.
Wir hatten einige Wochen vorher telefonisch nach Übernachtungsmöglichkeiten angefragt. Im Brauereigasthof gibt es nämlich ein paar Fremdenzimmer, zehn oder elf Stück. Bevor wir los fuhren fragten wir dann noch nach, wann das Fest denn beginne, sodass wir unsere Anreise darauf abstimmen konnten. Am anderen der Leitung hörte man heftiges Stirnrunzeln und Verwunderung über diese Frage. Die Antwort: „Ja mei, ab neun gibt’s halt den Bock“. Neun Uhr morgens war gemeint. Also kein „O’zapft is“ Ritual oder so. Damit ließen wir es gemütlich angehen und trafen gegen halb Sechs am Abend in Huppendorf ein.
Die erste Überraschung: im ganzen Dorf gab es keinen einzigen Parkplatz mehr am Straßenrand, so schien es. Da waren wohl ausser uns noch mehr Leute auf die Idee gekommen, zum Bockbieranstich zu fahren. Als wir mit unserem Gepäck die Gaststube betraten dann die nächste Überraschung: Auch drinnen war kein Platz mehr, nicht zum Sitzen, und fast auch nicht zum Stehen. Die Gäste waren alle schon mit ihrem Bockbier beschäftigt, und die Bedienungen mit den Gästen. Wir wurden quasi von niemandem bemerkt. Erst nach fünf oder zehn Minuten sah uns eine Bedienung unversorgt und ratlos herumstehen und wollte uns ein Bier bringen. Wir nutzten diesen Moment zum „Einchecken“.
Die Vorstellung, mit einer deftigen Mahlzeit eine Grundlage für den Bock zu schaffen, mussten wir gleich aufgeben. Wir fanden am Rand des Ausschanks gerade noch die letzten beiden Stehplätze und ließen uns eben gleich einen Bock geben. Dieser nennt sich Kathreinbock und sei „eine gefährliche Verbindung aus viel Hopfen und viel Malz“ – gefährlich wohl nur deshalb, weil es eine so geniale Verbindung dieser Zutaten ist, daß man kein Ende finden mag? An diesem Abend wurde jedenfalls kaum etwas anderes getrunken. Kaum stand das Glas vor uns, betörte es schon durch seinen intensiven Geruch, malzig, aber nicht süßlich, nur ein kleines bischen hopfig. Die Farbe ist wunderbar bernsteinig, ins rot-orangefarbene gehend, doch natürlich trüb. Und dann der Geschmack: die Fortsetzung des Geruchs für die anderen Sinne, herrlich kräftig und gleichzeitig soooo süffig. Das hat das Zeug dazu, ein Lieblingsbier zu werden! Aber Vorsicht: 19% Stammwürze schätzte der Brauer seine Schöpfung ein.
Bei dem hohen Wirkstoffgehalt des Bieres wäre es fatal, wenn man sich an diesem Abend von Bier allein ernähren würde. Die Grassers können zum Glück auch so gut kochen wie sie brauen. Es gab Wild, selbst gejagt, und diverse fränkische Schweineköstlichkeiten. Uns hatte es die Knoblauchwurst besonders angetan.
Der Anstichtag war der Buß-und-Bettag, ein Mittwoch, also ein Tag mitten unter der Werkwoche. Dennoch waren alle einheimischen Anwohner aus Huppendorf und Umgebung da, um zumindest ein Probierglas vom Bock zu kosten. Wer noch fahren musste, oder am nächsten Tag nicht ausschlafen konnte, probierte denn Bock nur, und hielt sich sonst zurück. So saß auch an unserem Tisch ein recht vernünftiger junger Mann, der am nächsten morgen zu seinem Leidwesen recht früh zur Arbeit raus musste, und verleitete benhur daher doch auch dazu, wenigstens EINE der anderen Biersorten zu versuchen: das Vollbier, ein Dunkles mit der Farbe eines Märzens. Nach dem Genuss des Bocks hatte es gar keine Chance: vergleichsweise wenig Geruch und viel zu zarter Geschmack – vielleicht ein andermal. Der Ralf war im Sommer 2004 schon mal in Huppendorf, als es eben keinen Bock gab, und da schmeckte ihm das Vollbier in der Tat vollwertig rundum gut. Gut genug, dass er heuer, ohne von der Übernatürlichkeit des Bockbiers zu wissen, wieder nach Huppendorf fahren wollte. Es ist also wirklich der Vergleich, in dem der Bock die restlichen Huppendorfer Biere um Längen zurück lässt. Das heißt: Wer den Bockbieranstich in Huppendorf verpasst, der verpasst wirklich was!
Zum Frühstück am nächsten morgen waren wir etwas zu früh und konnten so erst noch sehen, wieviel Aufräumarbeit so ein Fest auch macht. Gut gestärkt deponierten wir das Auto am Ort unseres nächsten Abendereignisses (Buttenheim) und begaben uns per Bahn und Pedes zum Mittagessen nach Möhrendorf. In der Fischküche Förster wollten Karpfen und Forelle im Pahres Dunklem Landbier schwimmen. Der Förster hätte durchaus noch andere Biere der Brauerei Hofmann und sogar Weizenbiere von Schneider auf der Karte. Aber ein so ur-fränkisches Gericht wie der gebackene Karpfen verlangt einfach ein ur-fränkisches Landbier, und genau das ist das Dunkle Pahreser.
Der Verdauungsspaziergang wurde wiederum mit Bahnunterstützung nach Eggolsheim gelenkt, zum „Kaffeetrinken“ im Schwarzen Kreuz. Die kleine Familienbrauerei schenkt nur eine Biersorte aus, und dieses Vollbier gibt es nur in der urigen Gaststätte. Die Atmosphäre dort stammt wie die Brautradition (1524) aus dem Mittelalter – herrlich ist es, den alten Herren beim Stammtisch-Tratsch zuzuhören! Das Bier ist eine absolut würdige Fortsetzung unseres gestrigen Erlebnisses: dunkelbernstein im Glas mit einem frischen Geruch, malzig ohne zu süß zu sein, naturgemäß wenig hopfig, ein sehr sehr ausgewogener Geschmack, ein gelungenes Kunstwerk das von großer Erfahrung zeugt!
Zurück nach Buttenheim sind es nur ca. 3 km, aber bei strömendem Regen wählten wir doch lieber wieder die Bummelbahn, zumal diese kleinen Bahnhöfe im Fränkischen wirklich hübsch sind, nicht nur wenn der Reisende von einem Brauereigasthof begrüßt wird…
In Buttenheim hat man die Wahl zwischen zwei nebeneinanderliegenden Brauereien – wir wollten sie natürlich alle beide beehren und gingen daher zuerst auf ein „Vorspeisen-Bier“ zum St. Georgenbräu.
Dort kam das „Kellerbier ungespundet hefetrüb“ zum Ausschank in die hübschen birnenförmigen Steinkrüge, die exklusiv für die Georgebräu gemacht wurden. Der Geruch des Kellerbiers ist zunächst mal frisch, hopfig, bitter, der Geschmack bei der Erstberührung ebenso. Recht schnell verfliegt das aber, so daß eigentlich nur noch bitter in Erinnerung bleibt. Dieses Bier zeigt einem mal wieder deutlich, daß es eben nicht nur dieses oder jenes Malz ist, was den Geschmacksunterschied ausmacht, sondern auch klar Hopfen und seine Menge!
So, nun freuten wir uns aber schon sehr auf den Star des heutigen Tages, das ungespundete Lagerbier des Löwenbräu Buttenheim, serviert im Krug mit Zinndeckel. Öffnet man diesen, mag die Nase etwas enttäuscht werden, denn der Geruch ist kaum wahrnehmbar. Das Auge hingegen erfreut sich am Schaum: schön unregelmäßig, cremig, und sehr beständig. Ok, nun aber zur Hauptsache, dem Geschmack: gaaaaanz anders! Hui, nach was schmeckt das denn so lecker? Gleich nochmal ein Schluck… Da ist doch noch was dabei, neben dem Hopfen. Hefe? Kann nicht sein, ist ja kein Weißbier. Ein anderer Hopfen? Gibts das, daß zwei Hopfengeschmäcker nebeneinander existieren und sich gegenseitig ergänzen? Ich sinniere darüber, nehme wieder einen Schluck, denke nach, komm nicht drauf, aber auf jeden Fall ist diese Kreation sehr, sehr lecker, auch verwöhnte Gaumen bestätigen dies. Und für Langsamtrinker wie mich hat dieses Bier noch einen grossen Vorteil: der Geschmack wird durch langes Herumstehen nicht schlechter! Wenn der Schaum dann irgendwann zerfällt, kommt sogar der Geruch etwas stärker heraus, ganz spät dann zu meiner völligen Überraschung noch eine zitronige Frische. Wow!
Was kann man nun zu so einem Bier essen? Hier z.B. ganz lecker „Bonakern mit Klöß“, das sind sauer gekochte Bohnenkerne mit „Knödeln“ (für alle Leser südlich des Kloß-Äquators) – ein Nationalgericht aus der Fränkischen Schweiz (in Mittelfranken schon völlig unbekannt). Beim Buttenheimer Löwenbräu ist man als Frankenfetischist also aufgehoben wie die ersten Menschen im Paradies. Wir vergaßen die Welt und ihre Probleme und ließen uns gänzlich hineinfallen in urigste fränkische Geborgenheit. Der Abend wurde lang …
Das Kellerbier von St. Georgenbräu habe ich vor vielen Jahren mal getrunken, als ein Freund von mir in Bamberg studiert hat.
Leider bekommt man das hier bei mir in NRW nicht.
Nur vertragen habe ich das Bier nicht so gut … vielleicht lag es aber auch an der verzehrten Menge. 😉