Eine Besonderheit am Zoigl, wenn es sich um „Echten Zoigl vom Kommunbrauer“ handelt, wie in Windischeschenbach und Neuhaus im Oberpfälzer Wald, ist, dass man ihn nicht zu jeder beliebigen Zeit bekommen kann. Man muss vorher immer im Zoiglkalender nachsehen, welche Zoiglwirtschaft gerade Ausschank hat. Für auswärtige Zoiglfans ist es daher in der Regel nicht möglich, alle Zoigl einer Kommune an einem Wochenende durchzuprobieren. In Windischeschenbach und Neuhaus gäbe es dazu immerhin den Zoigltag am 3. Oktober eines jeden Jahres, wo wirklich alle Zoiglwirte ausschenken. Diese Gelegenheit haben wir vom Blog-ums-Bier.de bisher jedoch nie wahrgenommen, hauptsächlich, weil wir befürchteten, dass da doch recht großer Andrang herrscht, und der Zoiglgenuss dann anders ausfallen könnte, als wenn man im Normalbetrieb während des regulären Zoiglzyklus genießt. Zudem wäre bei zehn Zoiglwirten in Windischeschenbach und sieben in Neuhaus immer noch die Beschränkung auf eine Auswahl aus diesem Angebot notwendig. Also fahren wir einfach immer dann in die Oberpfalz, wenn unsere Terminkalender dies zulassen, und genießen in den Zoiglstuben, die turnusmäßig gerade auf haben. Als ich wegen eines Klavierkonzertes gestern in Weiden war, drängte sich eine Weiterfahrt nach Windischeschenbach/Neuhaus heute unweigerlich auf. Und siehe da: an diesem Wochenende, vom 19.4. bis zum 22.4., schenkt ein Zoiglwirt aus, dessen Zoigl ich bis dahin noch nicht kosten konnte: der Lingl-Zoigl in Neuhaus.
Einen „besten Zoigl“ konnten wir bei unseren Besuchen in der Oberpfalz nie ausmachen. Und das obwohl ja wirklich jeder Zoigl anders schmeckt. Doch gerade diese Vielfalt mach ja den Reiz des Zoigl zu einem großen Teil mit aus. Am Ende ist es die persönliche Präferenz für malzig oder hopfig, oder für gold-, bernstein- oder dunkelbernsteinfarbig Ausschlag gebend. Für mich ergab sich heute mit dem Neuhauser Lingl-Zoigl eine glasklare Präferenz. Hauptmerkmale des Lingl-Zoigl sind seine für Neuhauser Zoigl typische hellere Farbe und die stärkere Hopfung. Jedoch muss ich sagen, dass ich so eine perfekte Hopfenwürze wie im Lingl bisher auch bei Bieren, die kein Zoigl sind, noch selten erlebt habe, wenn nicht sogar überhaupt noch nicht. Aber auch sonst hat dieser Zoigl nur positive Eigenschaften. Perfekt stabiler Schaum. Bereits im Antrunk schon vollmundig malzig. Das Malz mit einer großen Strahlkraft, nicht nur in der Farbe, sondern besonders auch im Geschmack, wo es mit Knusprigkeit sich vom Antrunk bis zum Abgang in satter und unglaublich klar strukturierter Vollmundigkeit gleichbleibend intensiv durch zieht. Die Krönung dieses Zoigl ist dann aber der stark würzige Hopfenabgang. Der Hopfen wartet tatsächlich am Anfang ganz brav, lässt dem Malz den nötigen Spielraum, und zündet erst beim Schlucken, dann aber mit voller Würze und ganzer Kraft und bleibt auch nach dem Hinunterschlucken noch lange auf der Zunge liegen.
Fazit
Schöne kräftige hellgoldene Farbe. Vollmundig malzig. Satte Hopfenwürze. Dieser Zoigl prägt sich ein. Er wurde mit einer gewagten und gelungenen Kompromisslosigkeit gebraut. Volle Malzigkeit und volle Hopfenwürze. Nicht „entweder oder“, sondern einfach nur „sowohl als auch“ mit etwas mehr „als auch“ als sonst gewohnt, was mir unheimlich gut gefallen hat, und Stunden später immer noch schön herb als Erinnerungshilfe auf der Zunge liegt.
Der Zoigltag am 3.Oktober ist nur in Neuhaus.