Begegnung mit dem „Gosewirt“ Dr. Hartmut Hennebach

Ich hatte mir an diesem Wochenende einen kulturellen Ausflug nach Leipzig gegönnt: Um dem Thomanerchor zu lauschen, und um ein Sinfoniekonzert im Gewandhaus zu erleben.

Leipziger Kultur, das heisst aber auch: Gose trinken! So bin ich heute zum Mittagessen in die historische Gosenschenke „Ohne Bedenken“ in Gohlis gegangen. Als ich schon fertig gegessen hatte und vor meiner Dessert-Gose saß, beobachtete ich einen Herrn im Gespräch mit dem Ober, der so redete, als gehöre ihm die Gaststätte. Ich sah etwas genauer hin, und da kam mir doch sein Gesicht irgendwie bekannt vor – aus den Informationsseiten in der Speisekarte. Ich sprach ihn kurzentschlossen an, und siehe da, es war tatsächlich der „Gosewirt“ Dr. Hartmut Hennebach persönlich. Ob ich ihn fotografieren dürfte, fragte ich ihn. Er war sofort dazu bereit. Und er erzählte mir dabei einige wichtige Fakten über die Schenke, sich selbst, und vor allem über die Gose.

Meinen ersten Kontakt mit der Gose hatte ich vor nun schon bald zwei Jahren in genau dieser Gohliser Gosenschenke gehabt. Kurz danach hatte ich erfahren, dass es am Bayerischen Bahnhof in Leipzig noch eine Gosenschenke, ja sogar eine Gosebrauerei geben soll. Diese hatte ich im vergangenen Jahr dann auf einer Radtour besucht. Damit kannte ich nun also schon zwei Orte, wo es dieses außergewöhnliche Bier gibt, das mich mehr und mehr fasziniert. Entsprechend groß war also meine Freude, den Mann kennenzulernen, welcher als „DER Gosewirt“ und als sog. „Gosebotschafter“ so bedeutend war und ist für den Erhalt und die Pflege dieses ganz besonderen Bieres.

Der Gosewirt und die Gosenschenke „Ohne Bedenken“

So unverhofft, wie ich Dr. Hennebach traf, so unvorbereitet war auch er. Und wie anscheinend immer war er sehr beschäftigt. Mit dem Kellner hatte er etwas organisatorisches besprochen, dann schnell ein paar Gäste bedient, machte sich am Zapfhahn tätig. Er war voller Energie, sehr geschäftig, und hatte alle Hände voll zu tun. Fast hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, ihn dabei zu stören. Aber dem war ganz und gar nicht so. Er nahm sich nämlich richtig die Zeit, sich für das Foto schick zu machen, und suchte mir noch vielerlei Informationsmaterial über die Gose und die Gosenschenke zusammen. So bekam ich neben den Fotos, die ich von Dr. Hennebach knipsen durfte, unter anderem auch eine gedruckte Zeittafel der Gose ausgehändigt und – das freut mich ganz besonders – ein Exemplar seiner Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Biergartens, der Biedermeierstube und des berühmten Gose-Erkers.

Weil die Gosenschenke ein so froher Ort ist, und weil ganz offensichtlich auch Dr. Hennebach selbst ein sehr fröhlicher Mann ist, hat er mir noch zwei Fest-Termine für das Jahr 2010 ans Herz gelegt.

Der Gosewirt wird 60

So das Motto der Veranstaltung am 26. März 2010. Ich brauche wohl nicht extra zu sagen, worum es dabei geht. 😛

Und weil die Gose mit einem Grund zum Feiern noch besser schmeckt als ohnehin schon, setzt Dr. Hennebach in diesem Jahr noch eins drauf:

Die Gosenschenke wird 111

Wie aus der Gose-Zeittafel zu entnehmen ist, zog die Wirtsfamilie Cajeri im Jahr 1899 vom Zentrum Leipzigs, wo sie bis dahin die „Döllnitzer Gosenstube“ betrieben hatte, um in den Stadteil Gohlis und gründete dort die Gosenschenke „Ohne Bedenken“. Am 29. Mai 2010 wird dazu der 111. Jubeltag begossen.

Impressionen aus der Historischen Gaststube und dem Bierkeller

Die „Orignial Leipziger Gose“ und die „Döllnitzer Rittergutsgose“

Zu Anfang habe ich erwähnt, dass Dr. Hennebach mir auch über die Gose erzählt hat. Dass am Bayerischen Bahnhof eine Gose gebraut wird, wusste ich ja bereits. Auch dass diese vom fränkischen Brauer Thomas Schneider produziert wird. Neu waren für mich aber diese Fakten, zum Teil aus der Zeittafel, und aus dem Munde Dr. Hennebachs:

  • • 1986 wird schon bzw. erst wieder Gose gebraut, nach 20-jähriger goseloser Zeit, und zwar in der heutigen Berliner Schultheißbrauerei (bekannt durch die „Berliner Weiße“).
  • • Ab 1991 gibt es dann Gose aus der Löwenbrauerei Dahlen.
  • • 1996 kommt die Gose von Thomas Schneider, dem Inhaber der Weißenburger Weißbierbrauerei bei Treuchtlingen südlich von Nürnberg.
  • • 1999 wiederentsteht die Döllnitzer Gosebrauerei, die in den 20er Jahren die meisten Goseschenken in Leizpzig beliefert hatte.
  • • 2000 zieht Thomas Schneider mit seiner Goseproduktion um nach Leipzig und gründet dort die Gosebrauerei „Bayerischer Bahnhof“.
  • • 2001 wird die Dölnitzer Rittergutsgose wieder in Leipzig gebraut, durch die Familienbrauerei Bauer im Täubchenweg.
  • • Seit Ende Dezember 2007 kommt die Döllnitzer Rittergutsgose nun aus Hartmannsdorf bei Chemnitz.
  • • Die Gosenschenke „Ohne Bedenken“ ist die letzte und einzige übrig gebliebene historische Gosenschenke. Inzwischen gibt es in Leipzig aber schon wieder über 50 Lokale, in denen die Gose ausgeschenkt wird.

Diese vielen Standortverlagerungen waren nicht gerade förderlich für das Image der Döllnitzer Rittergutsgose, sagte mir Dr. Hennebach. Das mag auch der Grund sein, warum in seiner Gosenschenke in der Regel die Gose vom Bayerischen Bahnhof ausgeschenkt wird, es sei denn, ein Gast (bzw. Kenner) verlangt ausdrücklich nach der Döllnitzer.

Dr. Hennebach erzählte mir auch, dass obwohl historisch gesehen die Rittergutsgose die „original“ Leipziger Gose ist, sie diesen Namen nicht tragen darf. Den hat sich nämlich die Gosebrauerei Bayerischer Bahnhof schneller gesichert. Nun gut, sie wird in Leipzig gebraut, die Schneidersche, was ihr dann doch irgendwie auch das Recht gibt, sich „Original Leipziger Gose“ zu nennen, auch wenn sie mit ihren heuer gerade mal zehn Jahren viel jünger ist als die Döllnitzer von 1824. Und in Dr. Hennebachs Gosenschenke leben die beiden Gosen letztendlich ja auch friedlich miteinander an der Schanktheke. Das fand ich schon sehr bemerkenswert. Dr. Hennebach kümmert sich halt einfach um die Gose an sich.

Mitbringsel

Wenn ich bedenke, dass ich nur eben kurz zu Mittag essen wollte, bin ich an diesem Sonntag ziemlich lange in der Gosenschenke „Ohne Bedenken“ geblieben. Ich ließ sogar „ohne Bedenken“ 😉 zwei Züge wegfahren, bevor ich mich auf die Heimreise nach Bayern machte. Mitgenommen habe ich dafür aber reichlich, nämlich

  • • viel neues Wissen über ein spannendes Bier
  • • vielfältiges Informationsmatierial, überreicht vom Gosewirt Dr. Hennebach persönlich
  • • bleibende Eindrücke und Bilder von Dr. Hennebach und der Gosenschenke „Ohne Bedenken“

und

  • • eine Flasche Döllnitzer Rittergutsgose, die jetzt im Kühlschrank auf den feierlichen Moment einer Bierprobe fürs BLOG-UMS-BIER wartet.

Ich war schon vor zwei Jahren beeindruckt von der Gosenschenke „Ohne Bedenken“, damals vom Biergarten. Heute durfte ich sie von innen erleben. Und so Gott will, werde ich spätestens zum 111-jährigen Jubiläum wieder in Leipzig sein, um mitzufeiern und um zusammen mit Dr. Hennebach und allen Gosefreunden auszurufen:

Goseanna!

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

3 Kommentare

  1. Hallo Hr. Dr. Hennebach,
    ich habe ein 0,6l Glas der Gosenbrauerei Hartmannsdorf, Bez. Leipzig mit der Goldmarke „Gewerbeausstellung Chemnitz 1900“.
    Bei Interesse schicke ich gern Fotos.
    mfg
    KDF

  2. Matthias Holstein

    Hallo Herr Dr. Hennebach,
    ich war selbst als Braumeister tätig, mein Vater war bis 1986 Braumeister in Hartmannsdorf bei Chemnitz.Ich bin in Besitz eines sehr alten Bierglases der Gosenbrauerei Hartmannsdorf,
    Bez. Leipzig? Eshandelt sich dabei etwa um ein Bierglas Typ Weizenbier. Es ist auf jeden Fall sehr alt und nicht aus der Brauerei H`dorf bei Chemnitz, soviel habe ich zumindest erforscht.
    Bei weiterem Interesse bitte ich um Ihre Antwort.
    M.f.G. Matthias Holstein

  3. Hallo Ralf,

    da ich ja durch meine Cousinen eine besondere Beziehung zu Leipzig habe war der Bericht sehr interessant, besonders der Hinweis Thomanerchor, denn in der Jugendzeit meiner Cousinen waren sie oft mit einem Thomaner gegangen und meine verstorbene Cousine Monika hat sogar einen geheiratet, der ebenfalls verstorben in Leipzig das Bach Museum aufgebaut hat.

    Gruß Peter

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