Historische Live-Brauereiführung im Hofbräuhaus Traunstein

Das Ziel der Geburtstagsfahrt von Quetschnspieler Thomas war heuer das Land um den Chiemsee, ich glaube, das ist dann auch das, was allgemein mit „Chiemgau“ gemeint ist. Nach einem Halt auf einer Alm an den Hängen über dem Chiemsee und einem zünftigen Mittagessen war der letzte Programmpunkt des Ausflugs die Stadt Traunstein östlich vom Chiemsee. Von Ramersdorf aus gesehen, dem Startpunkt der Reise, ist das „hinter“ dem See. Die Stadt Traunstein wäre sicher auch sehenswert gewesen, aber unser Interesse galt an diesem Tag einzig und allein dem dortigen Hofbräuhaus. Ich kenne das Hofbräuhaus eigentlich schon sehr lange, aber nicht vorrangig durch seine eigenen Biere. Eher durch die Gasthausbrauereien, die das Hofbräuhaus in Großhesselohe im Isartalbahnhof betreibt, sowie die Fliegerbräu in Feldkirchen. In Augsburg gab es auch ein mal einen Ableger vom Hofbräuhaus Traunstein, in der damaligen „Charly-Bräu“, und sogar an erstrangiger Adresse in Berlin, im Sony Center am Potsdamer Platz war das Hofbräuhaus lange Zeit vertreten, mit der Hausbrauerei Lindenbräu (die aktuellen Besitzverhälttnisse sind mir unbekannt). Ich habe an diesem Nachmittag viel Neues über diese – in der Tat sehr besondere – Brauerei erfahren, und auch eine ganz besondere, weil etwas andere, Brauereiführung erlebt.

Begrüßungstrunk

Sehr ungewöhnlich war schon gleich die Begrüßung. Ich kenne das eher so, dass man dabei erst etwas über die Geschichte der Brauerei und über die Theorie des Brauens hört, bevor man sich auf den Rundgang macht, und die Biere dann am Ende der Führung verkostet. Wir wurden dagegen zunächst mal mit einer Halben begrüßt, und zwar wahlweise ein helles oder dunkles Bier, beide unfiltriert, was aufgrund der Farbe beim hellen deutlich besser zu erkennen war. Nach meiner so positiven Erfahrung kurz zuvor mit dem Wieninger Pils habe ich mir, der Vergleichbarkeit halber, ein Helles geben lassen. Das war ein typisches Zwickelbier, mit frischen Gärungsnoten und natürlich malzig-gerstigen Aromen. Ein Mitausflügler ließ mich netterweise aber auch vom Dunklen probieren. Da habe ich dann fast ein wenig bedauert, vorher das andere gewählt zu haben. Das Dunkle war wesentlich weniger gärig, aber immer noch natürlich frisch, samtig weich im Malz und mit zarten Fruchtaromen. Wir mussten leider gleich gesagt bekommen, dass man das Dunkle in dieser Form, also so naturbelassen, nur direkt in der Brauerei bei der Führung bekommt. Halb so schlimm – wir hatten ja eines abbekommen.

Mit den Bieren war es dann sehr kurzweilig während wir dem Vortrag unserer Brauereiführerin lauschten und dabei alles Wissenswerte über das Hofbräuhaus erfahren haben. Zum Schluss dieser Einführung bekamen wir dann auch noch einen professionellen Werbe-Dokumentarfilm gezeigt.

Eines von zwei Hof-Bräuhausern

Das war für mich die größte Neuigkeit: Das Traunsteiner Hofbräuhaus hat historisch gesehen dieselbe Bedeutung wie das andere in München, das jeder kennt: Es wurde, bereits im Jahre 1612, von Max I. als eines von zwei weißen Bräuhäusern gegründet. Das heisst, die Brauerei hatte das Recht, ein Weißbier, mit Weizen hergestelltes obergäriges Bier zu brauen. Großer Unterschied aber zum heutigen Hofbräuhaus in München: Das Münchner ist eine staatliche Brauerei, wogegen das in Traunstein in Familienbesitz ist, heute in Besitz der Familie Sailer, und das schon seit über 100 Jahren. Erst im laufenden Jahr 2012 übernahm der bisherige Junior Maximilian Sailer den Betrieb.

Zahlen und Fakten

Mit 1612 und 100 Jahren Familie Sailer ist da schon ein guter Anfang gemacht. Weiter interessiert meist der Jahressausstoß einer Brauerei. Das wären hier 100.000 hl, auf Normalbürgerdeutsch also 10 Millionen Liter (oder Maß).

1987 ist eine weitere wichtige Zahl in der Geschichte der Brauerei. In diesem Jahr hatte das Hofbräuhaus Traunstein als erste Brauerei überhaupt das Weißbier von Fass eingeführt.

Zwanzig Jahre später, 2007 also, wurden die Holzfässer in der Brauerei wieder-eingeführt. 1.400 davon sind heute im Einsatz. Spannend an der Holzfassverwendung ist, dass diese aufwendiger Pflege bedürfen, mit dem Fass-Auspichen, also der Abdichtung mit flüssigem heißen Pech von innen, sowie allgemeinen Instandhaltungsmaßnahmen, die alle von einer Firma ausgeführt werden: Der Firma Schmidt in München. Diese führt auch die Wartung der Fässer der Augustiner Brauerei durch, und die Forschungsbrauerei in Perlach lässt ihre Fässer, die neuerdings dort im Bräustüberl vermehrt Verwendung finden, ebenfalls von Schmidt instand halten. Hoffentlich entsteht da nicht mal ein Problem für die Holzfassbierfreunde.

Und zuletzt noch, wenn man 2012 minus 1612 rechnet, kommt man auf eine runde jubiläumsverdächtige Zahl, die 400.

Vierhundert Jahre Hofbräuhaus Traunstein

Da hätte man über das zuende gehende Jahr hinweg wohl besser aufpassen müssen. Irgendwie sind mir diese Feierlichkeiten entgangen. Unsere Brauereiführerin hat uns aber geschickt darauf aufmerksam gemacht, dass für dieses Jubiläum ein exklusiver heller Doppelbock eingebraut wurde, mit über 8% alc, der in Sektflaschen mit echtem(!) Sektkorken abgefüllt ist, und die man für nicht ganz 20€ nach der Führung im Brauereiladen erwerben könne. (Habe ich natürlich auch gemacht, und die Flasche wartet jetzt im Kühlschrank auf ihren großen Auftritt im blog-ums-bier.de).

Erlebnistour durch die Brauerei

Diese war auch ganz anders als bei anderen Brauereien. Denn es war eine Mischung aus Museumspfad und realen Wegen, über die wir geführt wurden. Museum: Weil eine moderne Brauerei heute nicht mehr alle Einrichtungen betreibt, die vor sagen wir 100 Jahren noch üblich waren. In der Regel, mit wenigen Ausnahmen, gibt es in heutigen Brauereien keine Mälzerei mehr, einen Eiskeller sowieso nicht mehr (Stichwort „Herr Linde 1876“) und auch eine Fasspicherei (s.o.) hat man in heutigen Brauereien nicht mehr. Diese Örtlichkeiten kann man also schlecht im Original herzeigen. Andere will man aber auch nicht unbedingt für viele fremde Besucher öffnen: Den Gärkeller nämlich, wegen der dort notwendigen höchsten Hygiene. Ich fand es ziemlich clever, dass man da im Hofbräuhaus Traunstein alternativ den Museumsweg gebaut hat, sozusagen als Brauereilehrpfad.

Ein bisschen Disney-Tour

Ich war insgesamt ein bisschen hin und her gerissen, wie gut ich diesen Mix fand, aber wenn ich mir vorstellte, dass ich vom Brauwesen nicht so viel wüßte, dann war die Tour schon recht lehrreich, vor allem für meine Mitreisenden.

Die einzelnen Stationen waren:

  1. Wasser. Ein symbolischer Brunnen im inneren des Sudhauskomplexes
  2. Malz. Eine im Museumsstil vorgestellte Mälzerei.
  3. Sudhaus. Mit Light- und Videoshow sowie Knalleffekt am alten Steuerpult
  4. Gärkeller. Museum.
  5. Lagerkeller. Real.
  6. Fassfüllerei. Museum.
  7. Fasspicherei. Museum.
  8. Kurfürst Max I. von Bayern. Wachsfigur.
  9. Flaschenfüllerei. Teils Museum, teils echt, jedoch gerade nicht in Betrieb, wegen Feierabend.
  10. Highlight und Gag: Der Fass’l-Sepp. Ein Fassabfüll-Roboter.

Der Fass’l-Sepp

Dieser Roboter war der krönende Abschluss unserer Führung. Mit dem Überdimensionalen menschenähnlichen Kopf mit Hut und der über eine gewaltige Soundanlage kommenden Stimme hat man ihn so programmiert, dass er einen ebenso überdimensionalen Maßkrug greift und einen tiefen virtuellen Schluck daraus nimmt. Natürlich gibt der Fass’l-Sepp nach dem Absetzen auch einen gewaltigen Rülpser von sich.

400 Jahre Brauerei erlebt

Wir hatten während der ganzen Führung keinen einzigen Brauereimitarbeiter gesehen, unsere Führerin ausgenommen. Und etwa die Hälfte des Weges waren wir auch gar nicht in echten Brauereibetriebsräumen, sondern eben eher in museumsartigen Räumen, die mich nicht wenig an das Deutsche Museum in München erinnert haben. Hätte man mir das vorher gesagt, dass die Brauereiführung diese Form hat, wäre ich vielleicht ein wenig skeptisch gewesen. Hinterher aber muss ich diese Erlebnistour aber allen Bierfreunden unbedingt ans Herz legen. Viel schöner könnte man die vierhundertjährige Geschichte der Brauerei, des Hofbräuhauses Traunstein, kaum darstellen. Die 400 Jahre sind in knapp zwei Stunden wie im Flug vergangen.

Die Führung in Bildern

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

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