Unverhofft: St. Erhard Saison

In den Tagen vor Weihnachten brachte mir der Paketbote von Hermes eines späten Nachmittags ein Päckchen aus Bamberg. Bamberg? Ich hatte aus dieser Ecke aber gar nichts erwartet. Als in der Anschrift jedoch den Zusatz „BLOG UMS BIER“ entdeckt hatte, kam mir schon die Ahnung, dass dies vielleicht ein Bierpröbchen sein könnte. Aber aus Bamberg? Okay, das Päckchen war nicht aus Bamberg direkt, sondern aus dem Bamberger Land: von der St. Erhard GmbH, einer noch relativ jungen Brauereineugründung in Hallerndorf bei Bamberg, Gründungsjahr 2011. Das Gründungsjahr musste ich schon auf der Herstellerhomepage nachschauen, und auch sonst war mir bisher nicht viel über dieses Unternehmen bekannt. Was ich wusste war, dass sie ein Bier für den Export nach Indien braut, und dass sie in der Stadt Bamberg eine „Bierothek“ betreibt. Punkt. Da war ich natürlich höchst erfreut, diese Brauerei jetzt gleich mit ihrem laut beiliegendem Infobrief jüngsten Bier kennenlernen zu dürfen.

Ich stimme mich mit dem Infobrief auf die bevorstehende Bierprobe ein:

UNSER ST. ERHARD® KELLERBIER BEKOMMT ZUWACHS

BEI DER SUCHE NACH EINEM NEUEN BIERSTIL ZUR ERWEITERUNG UNSERER ST. ERHARD® PRODUKTPALETTE HABEN WIR UNS BEWUSST FÜR EINE STIL ENTSCHIEDEN, WELCHER IN DEUTSCHLAND NOCH NICHT SO VERBREITET IST UND ZWAR FÜR EIN BELGISCHES SAISON- AUCH FARMHOUSE ALE GENANNT. UNSER ST. ERHARD® SAISON ZEICHNET SICH INSBESONDERS DURCH EINE FRISCHE FRUCHTIGE NOTE AUS UND WIRD BEGLEITET VON EINEM ANGENEHM TROCKENEM HOPFENSPIEL.

UNSER BRAUMEISTER UND BIERSOMMELIER DAVID HERTL HAT DAS REZEPT AUF DER CONSUMENTA IN NÜRNBERG ENTWICKELT UND DAS ERGEBNIS LIEGT IN DIESEM PAKET BEI.

SCHON BEI UNSEREM ST. ERHARD® KELLERBIER WURDE IN BIERBLOGS FLEIßIG BERICHTET. NUN WOLLEN WIR DIR DIE GELEGENHEIT GEBEN, DASS DU UNSER NEUES ST. ERHARD® SAISON, DAS ERST AM MONTAG ABGEFÜLLT WURDE, EXKLUSIV ALS EINER DER ERSTEN PROBIEREN UND DEINE ERFAHRUNG MIT DEM REST TEILEN KANNST.

VIEL SPAß BEIM TESTEN UND BIERIGE GRÜßE AUS BAMBERG

TANJA ROTH

Meine bierige „Erfahrung“ mit dem neuen St. Erhard

Das Etikett der Flasche ist vorne sehr klar und übersichtlich gehalten. Außer „St. ERHARD®“ steht darauf nur noch der Name des Bierstils „Saison“. Ansonsten ist das Etikett leer und in dunklem Braun gehalten wie das Glas der Flasche. Hinten ist die Flasche viel informativer. Zuerst steht natürlich eine Bierbeschreibung ganz ähnlich wie im Beibrief. Weiter die Angabe von gleich Alc. 6,5 % Vol. ! Junge, Junge, denk ich mir. Ganz schön heftig für ein Bier, das „früher auf Bauernhöfen für Saisonarbeiter gebraut wurde.“ Wer soll denn danach noch arbeiten können? Na, es ist ja nicht wirklich eins von früher, sondern nur in diesem Stil neu aufgelegt für den Genuss von heute. Und jetzt der spannendste Teil des Rückenetiketts, die

ZUTATEN: WASSER, GERSTENMALZ (PALE ALE, TENNENMALZ DUNKEL, BELGISCHE KARAMELLMALZE), WEIZENMALZ (WEIZENBRAUMALZ, WEIZENKARAMELLMALZ), HOPFEN (HALLERTAUER TRADITION, NELSON SAUVIN, HALLERTAUER BLANC, MOSAIC), HEFE.

So liebe ich das! Denn damit kann ich mir in meinem inneren Kopf schon mal eine Vorstellung machen, wie das Bier denn schmecken könnte. Und wenn es dann ganz anders schmeckt, kann ich mir immerhin damit einzureden versuchen, warum. 😉

Aus der Flasche direkt riecht es zunächst süßlich malzig, fruchtig und etwas blumig. Im Glas kommt das Bier optisch sehr schön dunkelorangebraun unter einem satten beigen Schaum zu liegen. Ist es nur so dunkel, dass man schlecht durchschauen kann, oder ist es tatsächlich auch trüb? Ja, es sieht trüb aus!

Hier im Glas werden die Düfte auch gleich viel komplexer. Der Geruch ist hefig, die Karamellmalze kommen raus, mehr ihrem eigenen Wesen als Malz entsprechend als konkreten Früchten, und darüber was grasiges und leicht schärflich würziges, als ob das Saison mit Kapuzinerkresse gewürzt wäre. Das könnte durchaus von der (Ale-?)Hefe des Saison kommen.

Auf der Zunge wirkt bei mir vor allem das Karamellmalz, fluffig, aber nicht zu schaumig, eher frisch prickelnd dargereicht. Röstverbranntes kann ich nicht entdecken, das ist schön. Unter den Fruchtnoten stechen mir allerdings auch keine typischen Früchte heraus. „Fruchtiges Karamell“ würde ich spontan gefragt sagen.

Im Abgang schließlich kommt es dann doch tatsächlich auch zum vom Hersteller angekündigten „angenehm trockenen Hopfenspiel“. Ich hoffe, ich bilde mir das nicht nur ein. Der hopfige Eindruck ist kräftig, in die Breite ausgelegt und wirklich angenehm, weil deutlich aber nicht erschlagend. Vier Hopfen sollen im Saison sein. Ich kann jedoch keinen davon für längere Zeit herausschmecken, eher willkürlich und für kurze Zeit blitzt einer oder auch zwei gleichzeitig auf. Nelson Sauvin und Halltertauer Blanc lassen das Saison mal kurz wie einen kernigen Weißwein wirken, während der Traditon das ganze wieder umkippt zu einem würzigen Rötlichen. Die Rolle des Mosaic kann ich dabei nur schwer einschätzen, er scheint eine gewisse ausgleichende Funktion mitzubringen. Brauer David Hertl ist eine wirklich ungewöhnliche Hopfenwirkung gelungen. Die Hopfen wirken nämlich nicht harmonisch, im Sinne von „rund“, sondern reiben sich aneinander und ergänzen sich. Im Mund rotiert ein Hopfenkarussell, in dem mal eine säuerliche, mal eine würzige, mal eine herbe Hopfung aufpoppt. Und das bleibt auch nach dem letzten Schluck noch lange nachwirken.

Kurzfassung

Das St. Erhard Saison kommt seiner ihm vom Hersteller verliehenen Eigenschaft als Belgisches Saison / Farmhouse Ale in dreifacher Hinsicht nach:

Als erstes zeigt es in der Nase seine Hefe sehr schön vor, noch vor den auch in die Nase steigenden Karamellmalzen und dem vielfältigen Hopfenaroma.

Zweitens im Mund ist es trotz seiner Karamellmalzfülle erfrischend prickelnd, wäre also – hätte es nicht ganz so viel Alkohol – tatsächlich ein Bier für Bauernhofsaisonarbeiter.

Mit drittens der Verwendung der vier Hopfen bekommt der Trinkvorgang einen beeindruckenden Abschluss. „Angenehm trockenes Hopfenspiel“ sagt der Hersteller. Der Genießer (der Autor dieses Artikels) empfindet dieses „Spiel“ wie eine Fahrt in einem Karussell mit angenehmer Geschwindigkeit, bei der alle Hopfen des Bieres immer wieder abwechselnd herauswinken dürfen.

Über ralf

Ich bin der Ralf und komme aus Augschburg. Die Biere aus meiner schwäbischen Heimat liegen mir natürlich sehr am Herzen. Grundsätzlich aber mag ich alle feinen Biere. Im Besonderen verköstige ich auch gerne Craftbiere, schätze allerdings eher die nach der Regel aus dem Jahre 1516 gebrauten. Dazu gehören auch die fränkischen Rauchbiere, von denen ich einer der größten Verehrer bin. Mein Motto ist daher: "Alla Dooch fein's Seidla!"

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