Ja, das Bier vom Holzfass hat es mir heuer ziemlich angetan. Ein Ort, wo man es bekommt, ist das „Wirtshaus Ayingers“ am Platzl 1A in München. Täglich ab 17:00 Uhr wird das Fass angestochen. Und so lange das Bier daraus läuft, so sagte ich es erst heute Morgen einem Arbeitskollegen, ist es das beste Bier in der Stadt, dieses Ayinger „Jahrhundertbier“ vom Holzfass. Als ich heute Abend wieder mit einem Freund dort ankam, voll der Vorfreude, ein außergewöhnliches Bier genießen zu können, staunten wir sehr, als stattdessen nur das Ayinger „Lager Hell“ in diesem Holzfass war.
Na gut, OK, sagen wir uns. Schauen wir uns halt heute mal an, wie sich das Helle aus dem Holzfass macht. Und ja, es zeigt schon auch seine Qualität. Und die Qualität des Holzfasses! Samtig weich ist es, wie man es von dieser Schankweise gewohnt ist, und wirkt wesentlich voller und runder als aus der Schankanlage. Nach drei Genusshalben lässt uns die Sache jedoch keine Ruhe, und so fragen wir vor dem Gehen nochmal beim Kellner nach, wie denn plötzlich das Helle in das Fass kommt. Dieser erklärt uns sachlich, dass es ab jetzt, ab sofort also, nur noch das Lager Hell geben soll, nicht mehr das Jahrhundertbier. Es sei zuletzt so gewesen, dass die Holzfässer mit Jahrhundertbier nur noch für das Platzl gemacht worden seien. Sie seien dort die letzten gewesen, wo es das so gab. Vermutlich meinte er damit, dass alle anderen Ayinger Gaststätten, wenn sie ein Fass ausschenken, eben schon länger oder immer schon ein Lager Hell darin haben.
Das ist für uns natürlich jetzt ein großer Schock und ein ziemlich großes Schadeeeee! Wie gesagt, das Helle war ja schon schön, hatte durch das Fass durchaus an Genuss gewonnen. Doch spontan teile ich dem Kellner mit, dass für mich das Jahrhunderbier noch deutlich mehr dazu gewonnen hatte. Diese grasig kräuterige Hopfenwürze, die romantisch schöne grüne Bilder im Kopf erscheinen lässt. Sagenhaft! Das ist DER Grund, warum wir an Montagen wie heute immer gerne ins Ayingers gekommen sind. Da kann der Kellner nicht anders, als mir zuzustimmen. Traurig ziehen wir von dannen.
Lange denke ich darüber nach, warum die Brauerei das macht. Im Grunde hat der Kellner es ja schon erklärt. Wirtschaftliche Gründe wohl. Der Aufwand, wegen ein paar wenigen Fässern für eine einzige Gaststätte die Holzfassabfüllanlage anzuwerfen, ist wohl einfach zu groß. Lieber nur eine einzige Sorte in größerer Anzahl, und gut. Oder lag es an uns, dass wir das Jahrhundertfass nur zu wenig gelobt hatten? Oder aber man hat sich vielleicht mehr auf die Touristen eingestellt, die bei „München plus Bier“ an „Helles“ denken? Hab ich im Gespräch mit Auswärtigen oft schon so gehört. Das „Bayerische Helle“ ist ja auch bekannter als der Begriff „Bayerisches Export“, was das „Jahrhundertbier“ technisch gesehen ist.
Es ist schon wild, was mir an diesem Abend so alles durch den Kopf schießt. Doch das ist halt mein Kopf, und der denkt mehr in Genusskategorien als in wirtschaftlichen Dingen. Diese liegen in der Verantwortung der Brauerei, und die hat sich jetzt für das Lager Hell entschieden. Immerhin, und das ist gut, gibt es das Holzfass selbst noch weiter wie bisher. Täglich ab 17:oo Uhr. So bekommt man wenigstens das Helle noch in einer Qualität, die es so nur schwer zu finden gibt. Obwohl – vom Platzl 1A aus nur 40 Meter weiter in südwestlicher Richtung, da steht auch ein Holzfass mit einem Münchner „Lagerbier Hell“. Und das dort ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern, äh, Brauern! 😉
Was uns vom Ayingers jetzt bleibt, ist die Erinnerung an das Jahrhundertbier vom Holzfass, das immer so perfekt war. Außergwöhnlich eben. Das Lager Hell nun, das ist auch OK. Halt eher so normal OK dagegen.